Luxusgut Wohnraum – Es muss sich was ändern!

Anna Clemente

Bevor ich mit dem Thema beginne stelle ich mich kurz vor:

Mein Name ist Anna Clemente, 33 Jahre alt und Mutter eines Teenagers. Ich habe 2 Lehren hinter mir, Bauzeichnerin im Tief-, Straßen und Landschaftsbau und weil mir die Nähe zu Menschen fehlte, später eine Lehre zur Fotografin. Diesen Beruf übe ich seither mit Herz und Seele aus und bilde in einem großen Unternehmen seit 3 Jahren auch Nachwuchsfotografen aus. Ich bin im Kreis Bergheim und später im Rhein-Erft-Kreis aufgewachsen und habe sogar 1 1/2 Jahre Kölner Stadtluft genossen. Mein Herz blieb aber im Rhein-Erft-Kreis, dadurch zog es mich schnell wieder hier her, in den beschaulichen Ort Buir. Ich kenne seit jeher das Problem mit den immer teurer werdenden Mieten und immer größeren Interessentenzahlen für die Wohnungen um uns herum.

Der Preis für Wohnraum steigt

Der Preis für Wohnraum ist drastisch gestiegen, das Einkommen der Haushalte leider nicht. Wo es früher reichte, wenn ein Partner im Haushalt arbeiten ging, um ein schönes Leben zu führen, müssen heute beide Partner arbeiten um sich wenigstens das Nötigste leisten zu können. Haushalte die auf Hilfe bei der Zahlung ihrer Kosten angewiesen sind, werden nach veralteten Tabellen berechnet, die das finden von bezahlbarem Wohnraum fast unmöglich machen. In diesem Zusammenhang wird dann oft über die „gierigen“ Vermieter geschimpft, objektiv betrachtet merkt man aber, dass sie nicht immer die Schuld an den zu hohen Mieten tragen.


Die Miete wird in zwei grundlegende Teile aufgeschlüsselt. Die Grundmiete, die für das überlassen den Wohnraumes nach Quadratmeter abgerechnet wird. Dieser Preis orientiert sich meist an der ortsüblichen Vergleichsmiete und dem regionalen Mietspiegel. Zum anderen kommen dann die Betriebskosten, in denen Posten wie Müllabfuhr, die Bereitstellung und Entsorgung von Wasser, Elektronik, Versicherungen, Grundsteuer und andere Zusatzleistungen wie Gärtnerservice, Hausflurreinigung, TV usw. enthalten sind. Auf beide Teile haben nicht nur die Vermieter Einfluss, sondern auch die Politik und andere Faktoren, die ich im Anschluss im Allgemeinen als auch konkret für den Rhein-Erft-Kreis (REK) nennen werde.

Einflussfaktoren auf den Mietpreis


Der erste Faktor ist eine demographische Veränderung, die regionale Urbanisierung. Ein solider Bevölkerungswachstum, der durch immer länger lebende Mieter die somit auch länger ihren Wohnraum nutzen. Auch durch einen Anstieg der Migration aus ländlicheren Gegenden, sprich Zugezogene Menschen die näher Richtung Stadt in den„Speckgürtel Kölns“ wollen, als auch Stadtmenschen die günstiger außerhalb wohnen möchten, erhöhen sich die Bevölkerungszahlen im REK. Dazu kommt der Trend, dass viele Menschen lieber alleine wohnen oder als (Kleinst-) Familien mehr Wohnraum beanspruchen. Auch ein Zweitwohnsitz gehört nicht mehr der Seltenheit an.

Dadurch entsteht ein hohes Defizit an Wohnraum, der den zweiten Faktor, Angebot und Nachfrage auf den Plan ruft. Vermieter berichten teilweise von Bewerbermarathons mit Kölner Verhältnissen, wo sich Interessentenmengen im dreistelligen Bereich die Klinke in die Hand geben – und das hier im REK! Das Defizit an Wohnraum wurde hier im REK letztendlich auch noch künstlich verstärkt, indem man Wohnraum abgerissen und abgebaggert hat, dieser aber nicht 1:1 neu errichtet wurde. Wenn neu gebaut wurde, dann eher nach dem Prinzip der Gentrifizierung. Wohnraum weicht für Industrie, welche dann wieder oben genannte „Zugezogenen“, die sich die hohen Mieten eher leisten können, auf den Plan ruft. Alle Neubauten werden nur zu gerne an die höheren Wünsche des gehobenen Klientels angepasst. Die Devise: Moderner, größer, luxuriöser, teurer, eventuell eher für Gewerbetreibende und mit Sicherheit profitorientiert. Zwar ist es richtig, dass moderner Wohnraum nicht schlecht sein muss und mehr Wohnraum den Wohnungsmarkt auch entlastet, dies klappt aber nur wenn der Wohnraum erschwinglich bleibt.

Der nächste Faktor für hohe Immobilienpreise ist die Veränderung der Wirtschaftspolitik. Andere Investitionsformen werden immer weniger rentabel, durch zahlreiche Finanzierungsmöglichkeiten mit Niedrigzinsen der Ankauf von Immobilien aber attraktiver. Wohnraum ist eine lohnende Geldanlage, denn gewohnt werden muss immer.

Der letzte Faktor den ich ansprechen möchte, ist die öffentliche Ordnung. Durch Deregulierung, Landnutzungszonen die die Grundstücksnutzung eingrenzen, aber auch erheblichen Steuerabgaben und Gebühren sowie der Vorschriftenwahn erschweren den Neubau von bezahlbarem Wohnraum. Wie anfangs schon von mir geschrieben, wenn Menschen überlegen zu vermieten, es aber so kostenintensiv und so schwer gemacht wird, können Vermieter ihre Wohnungen gar nicht mehr für Jedermann erschwinglich gestalten.

Der soziale Wohnungsbau betrifft jeden


Das alles muss verändert werden, denn eine gute Bodenpolitik ist der Schlüssel und das Fundament für bezahlbaren Wohnraum. Das Thema wird oft mit vielen negativen Eindrücken verbunden, wie Plattenbausiedlungen oder Ghettobildung.

Dennoch sollte klar sein, dass es im REK an Sozialbauten bzw. bezahlbarem Wohnraum mangelt und dieser Mangel sogar unser Verkehrssystem und die lokale Wirtschaft belastet. Mit bezahlbarem Wohnraum ist nämlich nicht nur Wohnraum für Flüchtlinge, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und ähnliche Menschen gemeint, die von der „guten“ Gesellschaft ungern im Umfeld toleriert werden oder gar widerwillig an diese vermietet wird. Viele vergessen, dass auch Rentner, Azubis und kostengünstigere Arbeitskräfte in Schlüsselberufen wie der Altenpflege etc. davon betroffen sind, die gezwungen werden, dadurch immer weiter in die Außenbezirke der Gemeinden zu ziehen.

Die Tatsache, dass sie dann weiter weg ziehen müssen um sich Wohnraum leisten zu können, bringt aber ein neues Problem mit sich. Der Arbeitsweg ist wieder zeitintensiver, wird teurer und aus unbezahlbarem Wohnraum wird dann ein unbezahlbarer Weg zur Arbeit. Wer sich doch versucht hier zu halten, zahlt so viel Miete, dass der Konsum auf das Nötigste reduziert wird, die Kaufkraft der Haushalte schwindet und die lokale Wirtschaft hat das Nachsehen. Die Zugezogenen, die sich allerdings die hohen Mieten leisten können und wollen, lassen ihr Geld meist eher in der Stadt, wo sie nach der Arbeit bequem alles auf einem Fleck erledigen können. Sprich, die Hoffnung, dass diese zahlungskräftigen Neu-Erftkreisler nun unsere lokale Wirtschaft ankurbeln, ist dahin. Das Beispiel sehen wir an den einzelnen Orten wie z.B. der Horremer Hauptstraße, Bergheimer Fußgängerzone, Kerpener Innenstadt, wo immer mehr lokale Geschäfte schließen müssen.

Die Menschen, die nun weiter weg ziehen mussten, als auch die Pendler, die in die Stadt fahren, verstopfen nun mit ihren Autos die Straßen. Wenn sie effizienter fahren möchten, fehlt es aber an guten ÖPNV-Anschlüssen und geeigneten Park-and-Ride-Parkplätzen. Für dieses Parkproblem wird dann wieder wertvoller Baugrund, der für Wohnraum gebraucht wird, in Parkplätze verwandelt. Ein absoluter Teufelskreis und eine starke Belastung unseres Verkehrssystems.

Lösungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene


Wie man merkt, gibt es viele Faktoren, die das Wohnen und alles drum herum beeinflussen. So viele Probleme, die bei erschwinglichen Mieten beginnen und einen Rattenschwanz an weiteren Problemen für den REK hinter sich her ziehen.

Diesem Hauptproblem und den daraus resultierenden weiteren, sollten wir auf kommunaler-, als auch langfristig auf Landes- und Bundesebene entgegenwirken. Ich möchte mich in Zukunft stärker mit diesem speziellen Thema und den dazugehörenden Lösungsvorschlägen und Ideen befassen. In verschiedenen Gesprächen mit Mietern sowie Vermietern wurden mir ein paar Ideen zugetragen, die ich hier gerne aufliste.

– Sozialwohnungen und deren Bau sollten wieder stärker gefördert werden, diese Subventionen sollten Mieter sowie Vermieter entlasten.

– Die Mietpreisbremse sollte stärker an die Zahlkraft der Mieter angepasst werden und die Regeln für diese sollten verstärkt und konkretisiert werden, um das umgehen dieser Regelungen zu unterbinden.

– Steuern für vermieteten Wohnraum sollten gesenkt werden sowie Müllabfuhrkosten reguliert werden um die Nebenkosten zu senken.

– Ungenutzter Wohnraum sollte hingegen, steigend nach Zeit des Leerstandes, höher besteuert werden um das Vermieten wieder notwendig zu machen. Nicht Wohnen sondern Leerstand sollte zum Luxus werden.

– Stadteigene Grundstücke sollten verpachtet statt verkauft werden. Somit kann die Stadt langfristig dringend benötigte Einnahmen generieren, und Einfluss auf die Entstehung bezahlbaren Wohnraumes nehmen.

– Vermieter die ein eigenes Einkommen haben, zahlen normale Steuern, wenn man in Rente geht und kein eigenes Einkommen mehr besitzt, sollten die Steuern verringert werden, um dem Vermieter einen Zuverdienst zur Rente zu sichern. Wahlweise könnte man auch hier dann eine Pacht anbieten zu geringeren Sätzen wie der eigentlichen Grundsteuer, um den Zuverdienst zur Rente zu erleichtern.

– Weniger Grundstücksflächen für reine Industrie designieren. Statt vielen kleinen Einzelfirmensitzen, verteilt auf viel Fläche, größere Industriekomplexe mit angrenzenden Parkgaragen bzw. Parkhäusern. Dies spart Platz und ist auf die einzelnen Mietparteien kostentechnisch effizienter.

– Um die Kosten für Firmen stärker zu minimieren, könnte man Solaranlagen, Dach- oder sogar Fassadenbegrünung miteinplanen. Ökologisch und finanziell besser!

– An diese Industriekomplexe könnte man zusätzliche kleine Wohnkomplexe anbauen, um Zweitwohnsitze für Pendler nahe des Arbeitsplatzes anbieten zu können. Das entlastet das Verkehrssystem und wirkt der Wohnungsknappheit in den Ortschaften entgegen.

Alternative Wohnkonzepte fördern

Bei meinen Recherchen bin ich zusätzlich noch auf zwei neue Wohnformen gestolpert, die von den Kollegen der SPD schon mal angesprochen, aber leider in der Vergangenheit nicht weiter verfolgt wurden.

  • Tiny Houses: Kleine Siedlungen aus Fertighäusern mit kleinem Wohnraum für Rentner die Ihr eigenes Heim nicht mehr Halten können und wollen, aber noch fit genug sind, ohne Altersheim auszukommen. Die Rentner hätten ein altersgerecht gebautes Eigenheim, das an ihre Bedürfnisse angepasst wäre, und die größeren Wohneinheiten könnten wieder von größeren Familien bezogen werden.
  • Wohnen für Hilfe: Rentner, denen die Kosten und/oder die Arbeit im großen Eigenheim zu viel wird, aber dieses nicht aufgeben möchten, können Untermieter zu sich holen. Diese zahlen weniger Miete, aber haben dadurch zumutbare Verpflichtungen zu erfüllen wie z.B. Gartenarbeit, kleinere Reparaturen, Botengänge, Fahrdienst, Einkaufsservice etc.Vermieter Profitieren von der Hilfe im Alltag, haben geringere Kosten, weil diese zum Teil vom Untermieter mit getragen werden.Durch den Dialog mit den Jüngeren könnte der Fortschritt etwas näher gebracht werden. Alles Dinge, die häufig weder von Familie und erst recht nicht von Pflegediensten übernommen werden kann. Der Untermieter spart sich nicht nur ein paar Euro Miete sondern kann mitunter auch von dem Wissen und der Lebenserfahrung des Gegenübers profitieren. Das Maß an Unterstützung sollte natürlich der Bezahlung in Form von Mietsenkung angepasst werden.

Diesem Problem möchte ich mich annehmen!


Alle Ideen und Vorschläge müssen natürlich eingehend überprüft werden und nicht jede Idee kann zu 100% so umgesetzt werden, wie der Verfasser gedacht hat. Aber wir können und werden uns intensiv mit dem Thema befassen um den Wohnraum im REK wieder bezahlbarer zu machen. Ich stehe speziell zu diesem Thema gerne zur Verfügung und nehme auch weiterhin gerne Ideen entgegen. Wenn umsetzbare Vorschläge dabei sind, können wir diese als Anträge im Rat vorbringen. Ich gehöre zu der Piratenpartei des Rhein-Erft-Kreises und wir sind eine Mitmachpartei in der jeder Bürger sich beteiligen darf.

Anna Clemente


In diesem Sinne, danke für euer Interesse an meinem Artikel und Ahoi!


Zeit für bezahlbaren Wohnraum!

Zeit für Piraten!

Über den Autor

Anna Clemente ist gelernte Bauzeichnerin und Fotografin. Ihr Schwerpunkt liegt auf Jugend- und Sozialpolitik sowie Wohnungsbaupolitik. Als Basispiratin wirkt sie aus Kerpen-Buir.