Greenwashing – ein „nachhaltiges Problem“ dieser Zeit

Alessa Flohe

Was ist Greenwashing?

Nachhaltigkeit als Kampfbegriff ist in unserer Gesellschaft angekommen und „hip“ oder „cool“. Kein Wunder, dass sich das bis in die Marketing Abteilungen großer Firmen herumgesprochen hat.

„Aber hey – das ist doch gut wenn H&M und Co „Conscious“ Linien rausbringen. Immerhin werden für diese alte Textilien recycelt“. Auf den ersten Blick – ja. Natürlich wirkt es zu aller erst positiv, wenn Firmen wie H&M augenscheinlich umdenken und dem Konsumenten zeigen, dass auch aus recycelter Kleidung etwas geschaffen werden kann. Also wo ist das Problem?

Das Problem, welches dahinter steht, nennt sich Greenwashing. Konzerne und Unternehmen, die einmal im Jahr eine nachhaltige Linie herausbringen, ihre Konsumenten aber sonst mit Fast Fashion (bis zu 12 Kollektionen im Jahr) überfluten. Conscious Produkte werden bei H&M meist höherpreisiger verkauft. Dies verstärkt dann ganz nebenbei noch den Eindruck, dass Nachhaltigkeit automatisch mehr kostet, wenn Fast Fashion Produkte für einen Bruchteil weniger Geld erstanden werden können.

Die „Einstiegsvoraussetzung“ Kapital sorgt dann also im schlimmsten Fall dafür, dass Menschen die eigentlich gerne nachhaltiger leben würden, ein falsches Bild erhalten und abgeschreckt werden. Es scheint eine soziale Frage geworden zu sein, ob Menschen sich „grüne Produkte“ leisten können oder nicht. Die wirtschaftlich besser gestellte Schicht wirkt als Moralengel, wirtschaftlich schwächere als „das Problem“, dass massenweise Billig-Fleisch konsumiert und unter unfairen Bedingungen hergestellte und nicht nachhaltige Kleidung kauft. Soziale Klüfte können verstärkt werden. Und das, obwohl sie das gar nicht müssten und Greenwashing ein Marketing Stunt ist.

Welche Konsequenzen kann Greenwashing haben?

Greenwashing ist ganz oft schlichtweg Verbrauchertäuschung. Mit dem guten Gewissen der Konsumenten soll Profit erwirtschaftet werden – nicht mehr und nicht weniger. Dabei werden uns nicht selten auf weitläufigen Felder glücklich grasende Kühe auf Milchtüten präsentiert, und die Wahrheit hinter der Milchindustrie verschwiegen.

  • Der wie oben bereits angeschnittene höhere Preis für das Konsumgut. Der Konsument akzeptiert für „ökologische“ Produkte meist höhere Preise, da diese durch das Attribut gerechtfertigt zu sein scheinen. Was sich hinter „ökologisch“ verbirgt weiß man dabei selten.
  • Ein besseres Image, durch das dann auch der Umsatz angekurbelt wird indem die Menschen bei genau diesem Unternehmen ein Produkt kaufen. So hat sich vor allem Nestlé in den letzten Jahren beispielsweise bei Nespresso stark ins Zeug gelegt, als „grün“ und „fair“ wahrgenommen zu werden.
  • Die Lobby stärkt sich – wenn das Unternehmen vorgibt, gewisse Ökostandards freiwillig einzuhalten, dann steigt die Masse der Unterstützenden und derjenigen, die diese Marke im Zweifel verteidigen.
  • Weniger Politische Regulierung: Wenn man der Politik vorgaukelt, von ganz alleine Standards einzuhalten und umzurüsten, dann könnte diese mit weniger Regulierungen reagieren. Denn, wer sich freiwillig umstellt, wieso sollte dieser dann reguliert werden?

Dabei haben die Firmen mehrere Möglichkeiten. Ob sie die Wahrheit „verschleiern“, wie die deutsche Bahn, falsche Angaben machen oder unklare Begriffe verwenden wie „grün“, „ökologisch“ oder ähnliches. Grün und Ökologisch? Was bedeutet das überhaupt? Im Gegensatz zu dem Bio Zertifikat sind diese Begriffe nicht geschützt oder definiert. Das ist ein Problem. Denn diese Firmen können problemlos mit den Begriffen jonglieren und sie dem Konsumenten auf dem Silbertablett servieren – legen aber nie transparent offen, was damit überhaupt gemeint ist.

Auch die Politik ist nicht frei von „Greenwashing“

Greenwashing existiert aber nicht nur in Marketing und PR, sondern auch im politischen Umfeld. Dies soll am Beispiel der EU-Agrarreform erläutert werden.

So sind viele Umweltverbände enttäuscht von der EU-Agrarreform, die durch Ministerin Klöckner aktuell abgefeiert wird. Laut Tagesschau.de kritisierten Umweltverbände „den Kompromiss als Klientelpolitik für Großbetriebe und Fortsetzung eines zerstörerischen Subventionssystems.“

Worum geht es bei der Agrarreform?

Bei der EU-Agrarreform geht es darum, dass Subventionen im Milliardenhöhe nach einer zweijährigen Übergangsfrist nur noch dann abgerufen werden können, wenn sie auch für Umweltprogramme genutzt werden. Dafür soll die Höhe der Agrarsubventionen beibehalten werden. Hört sich erstmal gut an. Allerdings sollen lediglich 20% dieser abgerufenen Gelder auch an Bedingungen geknüpft werden. Der Großteil der Gelder soll weiterhin als Direktzahlung ohne Umweltauflagen auf Basis der Flächengröße in die Betriebe fließen. Der BUND befürchtet an der Stelle sogar einen Vorteil für Agrarkonzerne gegenüber kleineren Betrieben und Höfen. Auch Anton Hofreiter vermutet, dass die Steuergelder weiterhin vor allem für die Agrarindustrie und Großgrundbesitzer ausgegeben werden. Er befürchtet das die Reform das Höfe sterben sogar beschleunigt.

Ein weiteres, gerade mal in Nebensätzen erwähntes, Problem: die Auflagen, die man auch Eco Schemes nennt, sind nicht definiert, die Nationalstaaten haben hinsichtlich ihrer Gestaltung gewisse Freiräume.

Auch wenn die Agrarreform als Kompromiss gewertet werden kann, angesichts der Tatsache das sich Länder wie Polen – wieder einmal – quergestellt haben und es sich hierbei auch um eine soziale Frage handelt, wird er besser und grüner dargestellt, als er ist. Anstatt den Kompromiss offen und ehrlich zu präsentieren, entwickelt er sich zum Marketing-Stunt.

Nichthandeln und über Handeln sprechen

Greenwashing in der Politik ist aber oft subtiler. An vielen Stellen wird über die Bedeutung von Nachhaltigkeit gesprochen, und man zeigt sich stets erschüttert über die Vorgänge dieser Welt. Klimakrisen, untätige Konzerne, Regenwald-Rodende Diktatoren wie in Brasilien. Viel wird darüber gesprochen, was man tun kann, tun sollte, tun will. Und dann: nichts. Untätigkeit. Dabei geht es weniger darum, dass die Politik in den Markt durch Überregulierung eingreifen sollte und diesen dadurch verzerrt. Vielmehr sollte die Politik sich darauf besinnen, Regeln zu schaffen und sich um den gesellschaftlichen Konsens zu bemühen. Aufklärungsarbeit durch exakte Kommunikation zu leisten. Auch der Ausstieg aus der Kohle 2038 – er kommt viel zu spät und zulasten der Steuerzahlerinnen und Arbeitnehmerinnen von RWE. Nicht der Konzern wird leiden – sondern die vielen Mitarbeiter, die ihren Job und damit ihre Lebensgrundlage verlieren werden. Eine selbst geschaffene Soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Und das liegt auch an der jahrzehntelangen Untätigkeit der Politischen Kräfte, die ihren Kohlekompromiss 2038 nun als großen Meilenstein verkaufen.

Weiterführende Links

Ich habe hier einige Links für euch zusammengetragen, unter denen ihr euch weiter über das Phänomen Greenwashing, wie ihr es erkennt und was ihr tun könnt informieren könnt. Diese sind auch gleichzeitig zum Teil meine Quellen für diesen kurzen Anriss zum Thema.

Der Bullshit Detektor für Gütesiegel:

https://reset.org/blog/es-fehlte-etwas-dem-man-einen-blick-erkennen-konnte-ob-ein-siegel-serioes-ist-09212016

Studie von Lobby Control zu Greenwashing in Zeiten des Klimawandels:https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/download/greenwash-studie.pdf

Der Klimalügen Detektor:http://klima-luegendetektor.de/

Studie des Einflusses von Greenwashing auf die Konsumenten:https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1050651917729863

BUND zu Greenwashing:http://www.bund-rvso.de/idx-greenwash.html

6 Sins of Greenwashing:http://www.klimawandel-global.de/klimawandel/kritische-stimmen/die-6-greenwashing-sunden-the-six-sins-of-greenwashing/

Care Elite zu was ist greenwashing:https://www.careelite.de/greenwashing/

Zu Nespresso:https://www.konsument.at/greenwashing022019?pn=3

Tagesschau.de zur Agrarreform:https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eu-agrarreform-109.html

BUND zur Agrarreform:https://www.bund-naturschutz.de/pressemitteilungen/roll-back-bei-eu-agrarreform-verhind

ern.html

Über den Autor

Alessa Flohe vertritt die Piratenpartei Kerpen seit 2020 im Stadtrat, wo sie sich der FDP-Fraktion angeschlossen hat und stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist. Zusätzlich ist sie als stv. sachkundige Bürgerin im Regionalentwicklungsausschuss des Rhein-Erft-Kreis aktiv.

Als behördliche Datenschutzbeauftragte ist sie firm in Belangen der Verwaltung und hat damit einen guten Einblick, wie man die Kommune voranbringen kann. Nebenher studiert sie Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Medien- und Internetrecht. Ihre Schwerpunkte sind Netzpolitik und Entwicklung, ihr Hintergrund als Fachinformatikerin liefert dort das notwendige Know-How.