Ein Kommentar unserer Kreisvorsitzenden, Alessa Flohe
Im vergangenen Jahr lief die Frist zur Umsetzung des „OZG“ ab, das alle staatlichen Institutionen verpflichtet, ihre Dienste für Bürger:innen digital anzubieten. Bundesweit sind jedoch erst 33 von 576 vorgeschriebenen Diensten online verfügbar. Im Vergleich dazu bietet beispielsweise der Rhein-Erft-Kreis über 50 der 157 vom OZG betroffenen Dienste in seinem Zuständigkeitsbereich digital an.
Doch wie ist der aktuelle Stand? Was bedeutet das OZG eigentlich konkret für mich als Bürgerin?
Das Onlinezugangsgesetz trat 2017 in Kraft und schrieb ursprünglich allen staatlichen Institutionen vor, ihre Dienste auch digital zur Verfügung zu stellen. Die Umsetzungsfrist lief am 31.12.2022 ab. Wer nun in letzter Zeit in die Bredouille geriet, beispielsweise einen Personalausweis zu beantragen, dem mag aufgefallen sein, das dieser Antragsprozess nach wie vor nur analog, vor Ort, möglich ist. Und das teilweise mit horrenden Wartezeiten. Aber je nachdem in welcher Kommune mag lebt sieht das beim Antrag für Wohngeld, bei der Anmeldung eines Hundes oder dem Antrag eines Infostandes („Sondernutzungserlaubnis von Flächen“) ebenso aus.
Das Ziel, zumindest den Antragsprozess bis Ende 2022 zu digitalisieren, ist also verfehlt. Das OZG in seiner vorgesehenen Form so gegebenenfalls nicht umsetzbar. Dies erkannte auch der Gesetzgeber im Jahr 2022 (besser spät als nie!) und plante, Änderungen am Gesetz vorzunehmen. So sieht der neue Referentenentwurf beispielsweise sämtliche Fristen als gestrichen an (1). Die Begründung erscheint logisch und sinnvoll: so ist Digitalisierung keine in sich geschlossene Aufgabe, die mit Endfrist erledigt und dann als abgeschlossen betrachtet werden kann. Dennoch helfen gerade Fristen dabei, das ein Prozess den notwendigen Stellenwert bekommt. Denn noch immer haben nicht alle die Relevanz von Digitalisierung begriffen – oder sind bereit entsprechende Haushaltsmittel oder Personal hierfür bereit zu stellen. Hat das Thema nicht den nötigen Stellenwert und den nötigen Druck dahinter, wird es häufig nur halbgar angefasst. Ebenso erging es übrigens dem Datenschutz, der seit der DSGVO nun immerhin halbwegs beachtet wird. Aber immer noch unzureichend.
Das OZG würde für uns als Bürger ein Mehr an Bürgerservice bedeuten. Viele Kommunen haben es sich trotz schleppend laufender Projektfortschritte auf Landesebene nicht nehmen lassen, die Antragsprozesse so gut es geht digital zur Verfügung zu stellen. Zum einen half dabei das Servicekonto NRW, das bereits einige Online-Dienste bereit hält. Mithilfe sogenannter Formularserver bieten sie daher zumindest digitale Antragsformulare an. Zwar laufen die in den meisten Fällen als PDF-Anträge in ein Postfach ein und nicht – wie es wünschenswert wäre – über eine Schnittstelle in das jeweilige kommunale Fachverfahren – es ist aber für den Bürger ein erster Schritt.
Problematisch ist das jedoch für die „andere“ Seite: Digitalisierung bedeutet oft eine Umstellung und es gibt sie immer noch, die Digitalisierungsfeinde. Der Mitarbeiter der Kommune muss in dem gesamten soziokulturellen Prozess mitgenommen werden – unabhängig seines Alters, seiner Vorerfahrung oder seiner sonstigen Kenntnisse. Eine nicht medienbruchfreie Übermittlung von Inhalten, die den Prozess vielleicht sogar verkompliziert, wird Digitalisierungsgegnern eher Wind in die Segel pusten und der Sache wenig dienlich sein. Dennoch ist jeder Schritt in die richtige Richtung wichtig – allerdings müssen die Verwaltungsdienstleistungen schnellstmöglich medienbruchfrei digitalisiert werden. Umsetzen möchte man das mit sogenannten EfA-Diensten – Einer für Alle. “Schnellstmöglich“ meint übrigens nicht, jetzt sofort und über das Knie gebrochen. Schnellstmöglich meint ohne Trödelei. Denn trotz allem wünschenswerten Fortschritt müssen diese Verfahren sicher sein. Denn es gilt Bürgerdaten und gleichzeitig die städtische IT zu schützen.
Doch es gibt auch die andere Riege, die „Ausruher“ – jene Verwaltungen, die die mangelnde technische Umsetzung nur allzu gerne als Ausrede nehmen, ihre eigenen Prozesse nicht zu hinterfragen und eigene Wege zu gehen. Zwar lässt sich das vor allem bei sehr komplexen Prozessen und da, wo teure Beschaffungen notwendig wären, vertreten. Denn Steuergelder sollen auch nicht unnötig verschleudert werden. Aber gerade bei einfachen Anträgen, die zentral zur Verfügung gestellt werden können, ist das oftmals nur eine bequeme Ausrede. Denn Digitalisierung bedeutet auch Arbeit. 2021 hat das auch die Stadt Kerpen erkannt und auf unseren Antrag hin eine Digitalisierungsmanagerin ausschreiben und schlussendlich im Oktober 2022 auch einstellen können. Das die Notwendigkeit, diesen Prozess zentralisiert und priorisiert betreuen zu lassen, erst 2021 und auch erst auf politischen Antrag erkannt wurde ist zwar schade, aber immerhin wurde ein wichtiger Schritt unternommen.
Wie bereits oben beschrieben: die Kreisverwaltung ist im Vergleich mit der Digitalisierung ihrer eigenen Dienste recht weit. Wie das in den übrigen Kommunen des Rhein-Erft-Kreises aussieht, werden wir in den nächsten Wochen über Anträge erfragen. Einen Erfolg konnten wir bereits in Kerpen verzeichnen: auf unseren Antrag hin beschäftigt man sich nun auch mit der Digitalisierung des KiTa-Wesens, sodass Eltern als Digitalisierungsstrategie in der Zukunft keine WhatsApp Gruppen mehr präsentiert werden.
(1) https://www.onlinezugangsgesetz.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/OZG/DE/2023/01_ressortabstimmung_ozg-2-0.html;jsessionid=478A7B84CFB650CBEC43B98522D5BA62.2_cid295