Bericht zur Sitzung des Rates am 19.03.2024

Alessa Flohe

+++ Grundsatzentscheidung zur Zentralen Unterbringungseinrichtung für geflüchtete Menschen getroffen +++ Bänke gegen Rassismus werden aufgestellt +++ Stelle der Gleichstellungsbeauftragten aufgewertet +++ WLAN für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge +++ Erftlagune wird nicht verkauft

ZUE in Kerpen beschlossen – Standort an der Humboldtstraße

Die Stadtratssitzung am 19. März war gut besucht. Im Rahmen der Bürgerfragestunde konnten viele Fragen der Bürgerinnen und Bürger zur geplanten Unterbringung für geflüchtete Menschen des Landes NRW geklärt werden. Der Bürgermeister verwies auf die Erfahrungen mit der letzten zentralen Unterbringungseinrichtung an der Boelcke Kaserne, bei der es zu keinen Vorfällen kam. So äußerten einige Bürgerinnen und Bürger beispielsweise Angst, da die Unterkunft am neuen Gymnasium entstehen wird. Hier versuchten Rat und Bürgermeister die Ängste zu nehmen und zu beruhigen – es gebe keine Anzeichen dafür, dass es zu Übergriffen kommt, und es handele sich auch nicht um einen Hochsicherheitstrakt mit gefährlichen Häftlingen, sondern um eine Unterkunft für Menschen, die aus prekären Verhältnissen fliehen müssen. Auch auf eine ausreichende Betreuung und ein Integrationskonzept wird geachtet. Man erwarte auch keine Verkehrsproblematiken.

Der Stadtrat fasste in seiner Sitzung den Grundsatzbeschluss, die Flüchtlingseinrichtung auf dem Kerpener Stadtgebiet zu bauen. Die Standortfrage wurde auch geklärt: der Standort zwischen Manheim-Neu und Langenich ist nicht mehr relevant, der neue Standort wird an der Humboldtstraße errichtet.

Verabschiedung des Städtepartnerschaftsbeauftragten Friedrich Löhr

Seit dem 01. Januar 2008 war Herr Friedrich Löhr Städtepartnerschaftsbeauftragter der Stadt Kerpen. In dieser Funktion hat er wie er sagt viele Freunde im Ausland gewonnen. Seine Arbeit wird in unseren Partnerstädten St. Vith und Oświęcim sehr geschätzt.

Zur neuen Städtepartnerschaftsbeauftragten wurde unsere bisherige Stadtarchivarin, Frau Susanne Harke-Schmidt, ernannt. Wir wünschen ihr viel Glück, Erfolg und Spaß bei ihrer neuen Aufgabe!

Sicherheitspersonal für Stadt und Erftlagune beschlossen

Traurig, das solche Maßnahmen notwendig sind: im gestrigen Stadtrat wurden Haushaltsmittel zur Beauftragung eines Sicherheitsdienstes beschlossen. Leider wird der Ton auch im öffentlichen Dienst immer rauer und es kommt immer häufiger zu akuten Bedrohungslagen und auch Übergriffen gegenüber städtischen Mitarbeitern – wie der Bürgermeister gestern bestätigte leider auch in Kerpen. Wir können nicht nachvollziehen, wieso Menschen derart entgleisen. Städtische Mitarbeiter leisten ihren Dienst für uns alle – der entsprechende Respekt fehlt oftmals. „Die tun doch eh nix“, „die machen nur Pause“, „die sollen mal arbeiten, das faule Pack“ hört man nicht selten. Jeder von uns sollte sich fragen, wieso er oder sie nicht diesen super entspannten Job, bei dem man für eine EG8 den ganzen Tag scheinbar nichts tut, übernimmt. Denn dann würde in der Stadt ja alles rund laufen. Unabhängig davon steht natürlich die Sicherheit des Personals an hoher Stelle. Den Vorschlag der Grünen, den Sicherheitsdienst flexibel in Verwaltung und Erftlagune einzusetzen, halten wir für attraktiv und prüfenswert. Gleichwohl sehen wir Probleme bei der Umsetzung gerade im Sommer.

Erftlagune wird nicht verkauft

Die Privatisierung der Erftlagune ist erst einmal vom Tisch. Wir freuen uns ausdrücklich, das dieses Thema nun in öffentlicher Sitzung behandelt wurde. Gleichzeitig schließen wir uns der Kritik der Verwaltung an – es ist faszinierend, das man bei der hybriden Ausrichtung von Sitzungen aus Seiten der Politik „datenschutzrechtliche Bedenken“ äußert, während zeitgleich ein Leck im Rat ganze Vorlagen aus dem nicht-öffentlichen Bereich an die Presse weiter gibt. Der Verkauf ist jedenfalls vom Tisch – das vorliegende Angebot war in keinster Weise attraktiv. Die Stadt Kerpen mit 70.000 Einwohner kann es sich aus unserer Sicht nicht leisten die Erftlagune zu veräußern. Sie ist ein attraktives Angebot für Familien, Senioren und andere Menschen zu einem erschwinglichen Preis.

Frage der Ehrenbürgerschaft für Michael Schumacher wird vertagt

Die Verwaltung hatte in ihrer Sitzung vorgeschlagen Michael Schumacher die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Die CDU meldete Bedenken an – in der Vergangenheit habe man sich in Kerpen immer bewusst gegen Ehrenbürgerschaften entschieden. „Können sich dann zukünftig auch Kommunalpolitiker zum Ehrenbürger ernennen?“ wurde dabei ironisch gefragt. Es wurde klar: die CDU hatte offensichtlich Beratungsbedarf hinsichtlich der grundsätzlichen „Regeln“ und Voraussetzungen für eine solche Ehrenbürgerschaft. Daher werden die Fraktionen sich zunächst interfraktionell austauschen und einigen. Im Anschluss soll noch einmal konkret über die Ehrenbürgerschaft für Michael Schumacher gesprochen werden. Dabei wurde darauf hingewiesen, auch die Familie Schumachers zu fragen, ob diese Art der Würdigung so überhaupt erwünscht ist. Schließlich halten sie ihn ganz bewusst seit 2013 abgeschirmt von der Öffentlichkeit.

WLAN Zugang für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Im Jugendhilfeausschuss wurden wir im letzten Jahr auf ein Problem aufmerksam gemacht, das uns so gar nicht bewusst war. Und zwar verfügen die minderjährigen Geflüchteten kaum über Möglichkeiten, mit ihren Familien in der Heimat, oder aber mit dem allgemeinen Sozialen Dienst, zu kommunizieren. Sie können aufgrund ihres Alters keine eigenen Verträge abschließen (z.B. für Handyverträge), die Stadt kann dies für sie aber nicht tun, da sie keine Vormundschaft trägt und am Standort im Brauhaus in Sindorf gibt es kein WLAN. Daher haben wir beantragt, an dieser Stelle einen WLAN-Hot-Spot einzurichten. Laut Verwaltung sei es an diesem Ort technisch nur schwer realisierbar – wir haben uns natürlich gewundert. Denn technisch gesehen können wir uns eigentlich nicht vorstellen, wieso man hier kein WLAN einrichten können sollte. Daher haben wir hier entsprechend nachgefragt und um schriftliche Antwort gebeten. Aber eine gute Nachricht gibt es: die Stadt wird für die sog. „UMAs“ Prepaid Karten beschaffen, sodass diese erreichbar sind. „WLAN für Flüchtlinge“ hört sich zunächst wieder nach einer total überflüssigen Maßnahme an – tatsächlich handelt es sich bei UMAs um Minderjährige, die die Flucht alleine antreten oder auf dem Weg ihre Eltern verlieren. Sie sind traumatisiert und alleine in einem fremden Land, einer fremden Kultur, einer fremden Sprache. Der Kontakt in die Heimat, zu Freunden, Familie, Wegbegleitern ist aus psychologischer Sicht immens wichtig. Aber auch die Verwaltung muss im Rahmen der Betreuung Kontakt halten können – dies wird nun stark vereinfacht.

Banken gegen Rassismus und Anschluss zur Trierer Erklärung

Gemeinsam mit SPD, BBK, FDP, Grünen, Der Linken und der UWG sowie zivilgesellschaftlichen Vereinen wie Hab8cht haben wir die Aufstellung von Bänken gegen Rassismus im Stadtgebiet gefordert, die natürlich von den Antragstellern gesponsert werden. Spannend fanden wir die Gegenargumente: es handele sich nur um Symbolpolitik und man habe gehört, die Antragsteller wünschten sich Werbung auf der Bank. Letzteres konnte direkt durch die anwesenden verneint werden – woher dieses Gerücht kam ist mir ein Rätsel. Was die Symbolpolitik angeht: Natürlich ist es ein Symbol. Der Kniefall von Willy Brandt war ebenso ein Symbol. Stolpersteine sind Symbole. Demonstrationen sind Symbole. Symbole sind aber unglaublich wichtig – sie vermitteln den Menschen, die von Ausgrenzung betroffen sind, ein gutes Gefühl, sie mahnen an, sie rufen in Erinnerung. Wir haben in Deutschland nach wie vor ein starkes Problem mit Rassismus. Wenn man mal zu diesem Thema recherchiert, statt wie die CDU zur Vandalismus an Bänken, dann merkt man schnell, das viele Schwarze Menschen, People of Color und andere noch heute von negativen Erfahrungen berichten. Rassistische Übergriffe, Kommentare, Sprüche, Verhalten. Auch die Diskussion in den sozialen Medien zur Flüchtlingsunterkunft offenbarte das Problem! Daher braucht es nach wie vor auch Symbole. Nicht nur – es braucht natürlich auch Taten. Aufstehen und Gegenhalten, wenn bei einer Familienfeier mal wieder gegen Ausländer gehetzt wird, dem Kollegen Pari geben, wenn wieder rassistische „Witze“ fallen und vieles mehr – einfach das Bare Minimum erfüllen. Und seine eigenen Taten, Worte und Einstellungen hinterfragen. Wir freuen uns, das dem Antrag trotzdem gefolgt wurde.

Weiterhin hat sich die Stadt auf Antrag der Grünen der Trierer Erklärung angeschlossen. Daran konnte auch eine 5 Minütige, sachfremde Hetzrede der AfD gegen die Grünen nichts ändern.

Gleichstellung wird gefördert

Kerpen hat über 1000 Mitarbeiter. Laut Gleichstellungsplan ist die Führungsebene größtenteils männlich. Schaut man im Rat zur Bank der Verwaltung, an der der Verwaltungsvorstand Platz nimmt, so schaut man nur in männliche Gesichter. Auch der Stadtrat ist zum Großteil männlich. Und trotzdem hat die Stadt die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten vor Jahren auf eine Halbtagsstelle heruntergestuft. Bei den Aufgaben der GLB – u.a. Die Teilnahme an Vorstellungsgesprächen, die Einbindung bei Gleichstellungsrelevanten Themen z.B. auch in der Stadtplanung und in weiteren Sachgebieten – eine sehr geringe Stundenanzahl. Da fragt man sich, ob die Stadt ihren gesetzlichen Pflichten aus dem Landesgleichstellungsgesetz überhaupt adäquat nachkommen kann. Die Argumente, eine solche Beratung gehöre in den Stellenplan und somit in die Haushaltsberatung, können wir nicht nachvollziehen – in fast jedem Stadtrat beschließen wir außerplanmäßig neue Stellen. Wir müssen also davon ausgehen, das die CDU künftig sämtliche Stellen außerhalb der Haushaltsberatungen ablehnt? Ansonsten müsse man ja bei einer Ablehnung gerade bei dieser Stelle davon ausgehen, das man hier nicht viel auf Frauenförderung setzt.

Über den Autor

Alessa Flohe vertritt die Piratenpartei Kerpen seit 2020 im Stadtrat, wo sie sich der FDP-Fraktion angeschlossen hat und stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist. Zusätzlich ist sie als stv. sachkundige Bürgerin im Regionalentwicklungsausschuss des Rhein-Erft-Kreis aktiv.

Als behördliche Datenschutzbeauftragte ist sie firm in Belangen der Verwaltung und hat damit einen guten Einblick, wie man die Kommune voranbringen kann. Nebenher studiert sie Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Medien- und Internetrecht. Ihre Schwerpunkte sind Netzpolitik und Entwicklung, ihr Hintergrund als Fachinformatikerin liefert dort das notwendige Know-How.