Zunächst möchten wir uns bei den Fraktionen, fraktionslosen Stadtverordneten und der Verwaltung bedanken, das unser Vorschlag, den Haushalt nur für das Haushaltsjahr 2025 zu verabschieden, angenommen wurde. Außerdem bedanken wir uns für die intensiven Debatten der letzten Wochen.
Noch allzu lebhaft erinnern wir uns daran, als wir das HSK verließen und sich alle über die neu eröffneten Handlungsspielräume freuten. Es war ein Moment der Erleichterung, ein Gefühl, dass wir nun endlich wieder handlungsfähig wären, dass sich die Finanzen der Stadt etwas entspannen würden. Damals haben wir uns auf die Möglichkeit gefreut, etwas in unserer Stadt zu bewegen, Investitionen tätigen zu können und die Stadt Kerpen voranzubringen.
Doch wir müssen gestehen, dass wir schon damals eine leise Ahnung hatten, dass uns die Realität schneller einholen würde, als wir uns wünschen. Angesichts der bevorstehenden Hochbauprojekte und der divenhaften Eigenschaft der Gewerbesteuer, die sehr stark von den wirtschaftlichen Schwankungen und internationalen Krisen abhängt, war uns klar, dass wir schon bald wieder vor einer schwierigen Haushaltslage stehen würden. Die Hoffnungen, dass wir auf lange Sicht stabile Einnahmen hätten, waren aus unserer Sicht von vornherein unrealistisch, wenn wir uns gleichzeitig auf immer kostspieligere Projekte einließen, ohne diese durch klare, nachhaltige Finanzierungsstrategien abzusichern.
Und so ist es gekommen. Auch wenn der Kämmerer uns wiederholt auf die steigenden Ausgaben und die unsicheren Einnahmen hingewiesen hat, wurde oft nicht ausreichend auf seine Warnungen gehört. Stattdessen wurde der Optimismus der letzten Jahre überbewertet, und wir haben uns zu sehr auf ein beständiges Wirtschaftswachstum und stabile Gewerbesteuereinnahmen verlassen. Einige philosophierten sogar, wie reich Kerpen doch sei. Dadurch entstand ein falsches Bild. Die Realität sieht anders aus – wir sind heute wieder genau dort, wovor der Kämmerer uns bereits damals gewarnt hatte: vor einer Haushaltskrise.
Dies ist ein Paradebeispiel für die Problematik, die das gesamte Handeln prägt: Es wurden Versäumnisse gemacht, in den entscheidenden Momenten nicht die notwendigen Weichen gestellt, und nun stehen wir wieder vor den Folgen. Wir als Piratenpartei sind der Meinung, dass wir aus diesen Fehlern lernen und uns der Verantwortung stellen müssen, nicht nur durch immer mehr Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch durch eine klare, zukunftsfähige Finanzplanung.
Wir blicken auf einen Haushalt, der uns vor erhebliche Probleme stellt. Das Eigenkapital der Kommune sinkt immer wieder und wir brauchen dringend eine Veränderung.
Dabei müssen wir auch einen Blick Richtung Land riskieren, das wichtige Themen und Projekte nicht ausreichend finanziert. Dabei sticht vor allem das Kinderbildungsgesetz hervor – um eine ausreichende Qualität sicherzustellen, müssen wir immer mehr Gelder aus den leeren Kassen ziehen. Viele Träger ziehen sich zurück, es müssen Eigenanteile übernommen werden, um die Betreuungssituation irgendwie sicherzustellen. Die Lage ist ernst und die Belastung für die Kommune immer deutlicher, und all das in einer Situation, in der dem Fachkräftemangel im Care-Bereich durch bundes- oder landespolitische Maßnahmen immer noch nicht ausreichend begegnet wird. Es gibt zahlreiche Beispiele hierfür, bei denen uns im glücklichsten Fall eine nicht auskömmliche Pauschale zur Finanzierung gewährt wird.
Auch der Bund überträgt weiterhin Aufgaben an die Kommunen. Genannt sei dabei das Recht auf Ganztag, das wir ausdrücklich als Maßnahme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf begrüßen. Gleichzeitig fragen wir uns, wie es sein kann, das diese Aufgabe den Kommunen vor die Füße geworfen wird, ohne Fragen der Umsetzung oder auch Finanzierung ausreichend zu klären?
All das werden wir hier vor Ort nicht lösen. Allein durch wütend sein und Protest führen wir keine sofortige Veränderung für unseren kommunalen Haushalt herbei. Auch die kommunale Altschuldenproblematik und deren Lösungen sind Themen, die seit Jahren lösungslos diskutiert werden, die uns aber auch erheblich einschränken.
An dieser Stelle appellieren wir vor allem an die Ratsmitglieder, deren Parteien im Landtag sitzen – insbesondere diejenigen, die die Landesregierung stellen. Wir brauchen Lösungen, die hier vor Ort ankommen, und nicht nur Lippenbekenntnisse.
Richten wir den Blick nun wieder auf die Kolpingstadt und ihren Haushalt:
- Durch den Investitionsstau haben wir erhebliche Probleme an unserer kommunalen Infrastruktur, seien es Schulen und Turnhallen, Radwege oder Straßen. Die Folge sind erhebliche Investitionskosten in Liegenschaften und Infrastruktur, die uns stark belasten.
- Auch in Sachen Digitalisierung wurden Versäumnisse gemacht. Gerade in der Verwaltung könnte die Digitalisierung dazu beitragen, Prozesse effizienter zu gestalten und somit am Ende Kosten zu sparen. Leider werden die Potentiale nicht ausgeschöpft, und die Verwaltung bleibt hinter den Möglichkeiten zurück, die der digitale Wandel bietet. Umso mehr freuen wir uns darüber, das unser Antrag zur Einführung eines virtuellen Mitarbeiters zur Verbesserung des Bürgerservices und zur Reduktion von Verwaltungsaufwendungen bei der Verwaltung Anklang findet. Gleichzeitig können wir nicht nachvollziehen, das den Sparmaßnahmen ausgerechnet eine Stelle zur Digitalisierung zum Opfer fällt.
- Wir verschenken Einnahmepotentiale, seien sie noch so klein. Im Ergebnis wird dadurch in diesem Haushalt 2025 das Haushaltsdefizit bzw. Haushaltsloch einseitig auf die Schultern der Bürgerinnen und Bürger verteilt.
- Bereits 2023 haben wir die Einführung einer Grundsteuer C zum nächstmöglichen Zeitpunkt gefordert. Auch wenn unser damaliger Fraktionspartner diesen Antrag zurück gezogen hat, wurde er dennoch von allen Beteiligten zur Kenntnis genommen. Jetzt soll die Grundsteuer C zwar vermutlich kommen, allerdings frühestens 2026 und noch nicht garantiert. Wir sehen keine Bestrebungen, dieses Instrument schneller zu nutzen, um die Steuerlast besser zu verteilen.
- Aus unserer Sicht ist es ebenfalls ein Versäumnis, die gesplitteten Hebesätze zur Grundsteuer B erst ab 2026 anzuwenden. Zwar begründet die Verwaltung ihre Ablehnung mit Gründen der Rechtssicherheit, allerdings gibt es Kommunen in NRW, die diese Splittung bereits im aktuellen Haushaltsjahr anwenden werden. Aus unserer Sicht fand hier kein konstruktiver Austausch über das Für und Wider, gegebenenfalls auch unter Beteiligung anderer Kommunen oder externer statt.
- Uns mangelt es außerdem an Initiative, weitere Einnahmen zu generieren. Zu nennen seien hier beispielsweise die Erhöhung der Vergnügungssteuer, die sogar seitens der Bürgerinnen und Bürger vorgeschlagen wurde oder der fehlende politische Wille, eine Parkraumbewirtschaftung umzusetzen. Dabei lassen wir sprichwörtlich Geld auf der Straße liegen.
Das bedeutet für den aktuellen Haushalt eine einseitige Belastung der Bevölkerung, die sich zunehmend schwer tut, die stetig steigenden Kosten zu tragen. Uns ist klar, dass die oben genannten Maßnahmen das Haushaltsloch nicht stopfen würden. Es geht um eine gerechte, statt eine einseitige Verteilung der Steuerlast.
Wir brauchen außerdem mehr Mut, unkonventionelle Wege zu gehen. Auch wenn es den Haushalt nicht retten würde, pochen wir seit längerem auf die Anwendung von Finanzierungsalternativen, gerade für kleinere Projekte, wie Crowdfunding. Die durch die Stadt gewährten Zuschüsse beispielsweise zu Uhrentürmen oder anderen, kleineren Projekte, könnten entweder ganz entfallen oder zumindest gesenkt werden. Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ sehen wir hier eine sinnvolle Alternative, die in Betracht gezogen werden sollte. Die Einbindung der Bürgerschaft in solche Projekte sorgt für einen weiteren Effekt: es kann als Lenkungsinstrument verstanden werden um zu eruieren, welche Projekte für die Bürgerinnen und Bürger wirklich interessant und welche gefordert sind. Sie könnten ihre Stadt wirklich mitgestalten. Bürgerbeteiligung in gleich mehrfacher Hinsicht. Auch in der Vergangenheit wurden Anträge dieser Art abgelehnt oder sind noch zu keinem nennenswerten Ergebnis gekommen: unser Vorschlag, brach liegende Flächen durch Spenden aufzuforsten, wurde bis heute nicht umgesetzt.
Das derartige Finanzierungsmethoden Anklang finden, sehen wir in einigen Kommunen, beispielhaft genannt seien die Verbandsgemeinde Lauterecken-Wolfstein bei der Aufwertung eines Ausflugsziel, wobei über 9.000 Euro zusammengekommen sind, als auch die Verbandsgemeinde Otterbach-Otterberg, die ihre Wanderwege mit Solarkühlschränken ausgestattet hat. Hier wurden über 4.000 Euro gesammelt. Im Rahmen ihres Studiums konnte unsere Stadtverordnete Alessa Flohe sich mit dieser Thematik im kommunalen Umfeld ausführlich auseinander setzen und kann versichern: es gibt noch mehr solcher Beispiele.
Aber wir müssen ja nicht einmal bis nach Rheinland-Pfalz schauen, um zu erkennen, wie hoch die Spendenbereitschaft der Menschen ist, wenn es um ihre Stadt geht: am Platz der Integration in Sindorf wird bald das zweite durch Spenden finanzierte barrierefreie Spielgerät installiert – durch den Einsatz engagierter Personen und Vereine.
Positiv bewerten wir den ersten Schritt in diese Richtung: zu unserem Antrag, kleinere Projekte in Form von Patenschaften an die Bürgerinnen und Bürger zu vergeben und dies auch prominent auf der Webseite zu bewerben, äußert sich die Verwaltung positiv.
Gerade in Zeiten, in denen die Kassen leer sind, sollten wir solch innovative Wege gehen, um vor allem kleinere Projekte zu realisieren, ohne die Steuerzahler übermäßig zu belasten. Leider kommt hier weder aus Politik noch aus der Verwaltung das klare Signal, diese Möglichkeiten strategisch in ihre Finanzpolitik einzubetten.
Der Haushalt zeigt zudem keine konkreten Vorschläge, wie wir unsere Verwaltung effizienter gestalten können. Während andere Kommunen längst mit interkommunalen Kooperationen und Aufgabenübertragungen erfolgreich arbeiten, und die Stadt Kerpen das in einigen Bereichen ebenfalls tut, erkennen wir im Haushaltsentwurf keine neuen Schritte. Das ist schade. Wir sind der Meinung, dass wir durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen nicht nur Ressourcen sparen, sondern auch die Qualität der Verwaltung verbessern könnten. Es fehlt uns an konkreten Vorschlägen und ambitionierten Zielen in diesem Bereich. Wir freuen uns daher darüber, dass die Verwaltung unserem Vorschlag gefolgt ist und künftig regelmäßig über die Interkommunalen Zusammenarbeiten mit anderen Kommunen berichtet und künftig immer neue Felder aufzeigen will. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Zum Schluss schaue ich auch kritisch in Richtung Politik. Wir haben in der Vergangenheit im politischen Betrieb gespart, etwa, indem unsere Ausschussvorsitzenden keine Aufwandsentschädigung erhalten. Aber wir müssen in Zeiten klammer Kassen die Bereitschaft zeigen, auch unseren Gürtel enger zu schnallen. Deshalb hätten wir uns eine Debatte auch über zumindest zeitlich befristete Einsparpotentiale in der Politik gewünscht oder eine Debatte darüber, ob Kerpen wirklich drei stellvertretende Bürgermeister braucht.
Ich möchte nun zum Schluss und damit einhergehend zum Fazit kommen.
Die Kommunen sind die Keimzellen der Demokratie – hier, im lokalen politischen Raum, werden Entscheidungen getroffen, die unmittelbar das Leben der Menschen beeinflussen. Ob es um den Bau von Schulen, den Standard von Kitas oder die Höhe der Grundsteuer geht – diese Entscheidungen haben direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. Und hier wird Demokratie greifbar. Und gerade deshalb sind kommunale Haushaltsdebatten, ausgeglichene Haushalte und zukunftssichere Finanzen so elementar wichtig, mögen sie auch auf den ersten Blick enorm trocken erscheinen. Auch daher noch einmal mein Appell an das Land und an den Bund: die steigende Grundsteuerbelastung durch finanzielle Schieflagen werden zur Zerreißprobe für unsere Demokratie. Denn bei aller Problematiken haben wir Verständnis für die Situation der Bürgerinnen und Bürger – und diese drohen Zuflucht dort zu suchen, wo ihnen einfache Lösungen versprochen werden.
Es geht im Rahmen dieser Haushaltsdebatte nicht darum, den Schuldigen zu finden. Es geht darum, einen Kompromiss zu finden, der für alle tragbar ist. Und das ist dieser Kompromiss für uns leider nicht.
Wir verstehen, dass es in Zeiten klammer Kassen keine einfachen Lösungen gibt. Und wir erkennen die Aufwände, die auch die Verwaltung und Politik in diesen Haushaltsentwurf investiert haben, vollumfänglich an. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns mit diesem Haushalt einfach zufriedengeben können. Die getroffenen Maßnahmen gehen uns nicht weit genug, um eine langfristig tragfähige und gerechte finanzielle Situation für unsere Stadt zu gewährleisten. Wir müssen mehr tun, um die bestehenden Probleme anzugehen und Lösungen zu finden, die im Einklang mit den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger stehen.
Abschließend möchten wir betonen, dass wir als Piratenpartei bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Doch dazu gehört es auch, manchmal „nein“ zu sagen, wenn wir glauben, dass eine Entscheidung nicht im besten Interesse der Stadt und ihrer Einwohner ist.
Deshalb lehnen wir diesen Haushaltsentwurf ab. Wir tun dies in vollem Bewusstsein über die möglichen Konsequenzen der vorläufigen Haushaltsführung und bedauern diese Entscheidung, insbesondere im Hinblick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sowie die Bürgerinnen und Bürger. Aber die Belastungen, die durch diesen Haushaltsentwurf auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden, sind nicht gerechtfertigt.
Es ist höchste Zeit, dass wir einen tragfähigen Haushalt auf die Beine stellen, der nicht nur kurzfristige Probleme abfedert, sondern der unsere Stadt zukunftsfähig macht. Wir müssen die Fehlentwicklungen der Vergangenheit überwinden und an einem Strang ziehen. Dabei kann es keine Politik des „von oben nach unten“ mehr geben. Es braucht eine neue Kommunikationskultur im Rat, in der wirklich alle Fraktionen und Mitglieder zusammenarbeiten und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn wir nicht kooperieren, sondern uns in Grabenkämpfen verlieren, dann spielen wir den falschen in die Hände.
Deshalb unser Appell zum Schluss: Wir müssen trotz der vermutlich auseinanderdriftenden Meinungen in dieser Debatte gemeinsam arbeiten – nicht gegeneinander. Denn das hat uns in diese Lage geführt: Streit, Missverständnisse und ein nicht mehr zeitgemäßer Politikstil der Mächtigen, was das Vertrauen in die Politik und in unsere Entscheidungen zerrüttet. Die Folgen einer solchen Entwicklung konnten wir über die letzten Monate in Berlin beobachten.
Lassen Sie uns nach außen hin ein starkes Zeichen setzen, dass wir in der Lage sind, die Probleme, vor denen wir heute stehen, sachorientiert und mit Blick auf das Wohl unserer Stadt zu lösen. Auch wenn wir uns in Wahlkampfzeiten befinden, sollte der Haushalt nicht zum Politikum werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Wahlkampfgespinste den dringend notwendigen Dialog im Rat und die klare Sicht auf die Bedürfnisse unserer Stadt und unserer Bürgerinnen und Bürger behindern.