Sehr geehrte Damen und Herren, ob live hier vor Ort oder vor dem Bildschirm, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Verwaltung,
ich bin mal gespannt, wer heute Abend mein Norbert Lammert sein wird. Aber keine Sorge, ich werde keine 25 Stunden reden.
Wir haben bewegte und ereignisreiche Wochen hinter uns. Das Spielmobil konnte nicht rausfahren, die Freibadsaison nicht starten. Schuld war, so waren sich alle einig und so wurde es auch kommuniziert, die Politik. Die Politik, die sich einfach partout nicht auf einen Haushalt einigen kann. Dass das nicht gänzlich der Wahrheit entsprechen kann, sollte der Umstand, dass für das Spielmobil eben doch eine Lösung gefunden werden konnte, eigentlich deutlich zeigen.
Nun heute diese Sondersitzung, um den Haushalt nun doch zu verabschieden.
Ein Haushalt, dessen Verabschiedung zunächst verschoben und der dann doch letztlich abgelehnt wurde. In beiden Situationen mehrere interfraktionelle Gespräche, für die wir uns zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen, und auch bei der Verwaltung bedanken wollen. Die Arbeit, die die Verwaltung in diesen Entwurf gesteckt hat, die vermutlich zigfachen Fäuste, die sie in der Tasche machen musste, beispielsweise bei notwendigen Stellen, auf die verzichtet wurde, erkennen wir vollumfänglich an.
Interfraktionelle Gespräche haben stattgefunden , die dazu dienen sollten, möglichst einen für alle tragfähigen Kompromiss zu finden.
Dieser Kompromiss liegt aus unserer Sicht heute nicht vor.
Wir stehen vor einem der schwierigsten Haushalte der letzten Jahre. Auch deshalb hatten wir beantragt, den Haushalt nur für das Jahr 2025 zu verabschieden, so wie es jetzt auch getan wird.
Die Haushaltslage unserer Kommune ist desolat, und diese Realität lässt sich mit keiner Zahl der Welt schönreden und auch mit keiner Prognose auf Wirtschaftswachstum. Unsere Gewerbesteuereinnahmen sind eingebrochen, das ist ein großer Bestandteil unserer Problematik. Die Gewerbesteuer ist und war schon immer die Diva unter den Steuern, eine Steuer, auf die man sich schlichtweg nicht verlassen kann. Und dieser Umstand wurde uns durch den Kämmerer der Kolpingstadt, Herrn Schaaf, immer wieder gepredigt, genau so wie die Tatsache, das steigende Ausgaben in unserer Haushaltslage nun mal einfach nicht gut sind. Der Optimismus aus den letzten Jahren, aus den Gewerbesteuerüberschüssen und dem Austritt aus dem HSK, wurde überbewerten. Gleichzeitig übertragen das Land und der Bund immer weiter Aufgaben an die Kommunen ohne eine ausreichende Kostenkompensation. An dieser Stelle appellieren wir vor allem an die Ratsmitglieder, deren Parteien im Landtag sitzen – insbesondere diejenigen, die die Landesregierung stellen. Wir brauchen Lösungen, die hier vor Ort ankommen, und nicht nur Lippenbekenntnisse
Dies ist ein Paradebeispiel für die Problematik, die das gesamte Handeln prägt: Es wurden Versäumnisse gemacht, in den entscheidenden Momenten nicht die notwendigen Weichen gestellt, und nun stehen wir wieder vor den Folgen. Wir als Piratenpartei sind der Meinung, dass wir aus diesen Fehlern lernen und uns der Verantwortung stellen müssen, nicht nur durch immer mehr Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch durch eine klare, zukunftsfähige Finanzplanung.
Wir blicken auf einen Haushalt, der uns vor erhebliche Probleme stellt. Das Eigenkapital der Kommune sinkt immer wieder und wir brauchen dringend eine Veränderung.
Wir haben in den gemeinsamen Gesprächen viele Entscheidungen getroffen, die weh taten. Aber kommen wir zu den Kernpunkten unserer Kritik, die leider die selben sind, wie beim letzten Mal. Und ich habe wirklich gehofft, ich könnte diese Haushaltsrede in positiver Weise umschreiben.
Aus unserer Sicht wurden, trotz vielfacher Gespräche, erhebliche Potentiale liegen gelassen:
- Durch den Investitionsstau haben wir erhebliche Probleme an unserer kommunalen Infrastruktur, seien es Schulen und Turnhallen, Radwege oder Straßen. Die Folge sind erhebliche Investitionskosten in Liegenschaften und Infrastruktur, die uns stark belasten. Zeitgleich lassen wir Fördermittel für die energetische Sanierung von Gebäuden liegen – dabei könnte diese dafür sorgen, das Kosten mittel- bis langfristig gesenkt würden.
- Auch in Sachen Digitalisierung wurden Versäumnisse gemacht. Gerade in der Verwaltung könnte die Digitalisierung dazu beitragen, Prozesse effizienter zu gestalten und somit am Ende Kosten zu sparen. Leider werden die Potentiale nicht ausgeschöpft, und die Verwaltung bleibt hinter den Möglichkeiten zurück, die der digitale Wandel bietet.
- Wir verschenken Einnahmepotentiale, seien sie noch so klein. Im Ergebnis wird dadurch in diesem Haushalt 2025 das Haushaltsdefizit bzw. Haushaltsloch einseitig auf die Schultern der Bürgerinnen und Bürger verteilt.
- Bereits 2023 haben wir die Einführung einer Grundsteuer C zum nächstmöglichen Zeitpunkt gefordert. Auch wenn unser damaliger Fraktionspartner diesen Antrag zurück gezogen hat, wurde er dennoch von allen Beteiligten zur Kenntnis genommen. Jetzt soll die Grundsteuer C zwar vermutlich kommen, allerdings frühestens 2026 und noch nicht garantiert, da es zunächst nur ein Prüfauftrag ist. Wir sehen keine Bestrebungen, dieses Instrument definitiv und schneller zu nutzen, um die Steuerlast bereits jetzt besser zu verteilen.
- Aus unserer Sicht ist es ebenfalls ein Versäumnis, die gesplitteten Hebesätze zur Grundsteuer B erst ab 2026 anzuwenden. Zwar begründet die Verwaltung ihre Ablehnung mit Gründen der Rechtssicherheit, allerdings gibt es Kommunen in NRW, die diese Splittung bereits im aktuellen Haushaltsjahr anwenden werden. Aus unserer Sicht fand hier kein konstruktiver Austausch über das Für und Wider, gegebenenfalls auch unter Beteiligung dieser Kommunen oder anderer externer statt.
- Uns mangelt es außerdem an Initiative, weitere Einnahmen zu generieren, auch wenn sie politisch unpopulär sind. Zu nennen seien hier beispielsweise die Erhöhung der Vergnügungssteuer, die sogar seitens der Bürgerinnen und Bürger vorgeschlagen wurde im Rahmen der Einwendungen zum Haushalt oder der fehlende politische Wille, eine Parkraumbewirtschaftung zu prüfen und punktuell umzusetzen. Gleichzeitig haben wir ein erhebliches Problem bei der gerechten Verteilung des öffentlichen Raumes. Das ist nicht nur politisch inkonsequent. Wir lassen sprichwörtlich Geld auf der Straße liegen.
Das bedeutet für den aktuellen Haushalt eine einseitige Belastung der Bevölkerung, die sich zunehmend schwer tut, die stetig steigenden Kosten zu tragen. Uns ist klar, dass die oben genannten Maßnahmen das Haushaltsloch nicht stopfen würden. Es geht um eine gerechte, statt eine einseitige Verteilung der Steuerlast. Und das in einer Zeit, in der Wohnen im Erftkreis und auch in Kerpen immer teurer wird. Wo Familien und Senioren sich keinen bezahlbaren Wohnraum mehr leisten können, nicht wissen, wie sie ihr Zuhause und dann noch ihr Leben finanzieren sollen. Wo jedes 5. Kind von Armut bedroht ist.
Wir brauchen außerdem mehr Mut, unkonventionelle Wege zu gehen. Auch wenn es den Haushalt nicht retten würde, pochen wir seit längerem auf die Anwendung von Finanzierungsalternativen, gerade für kleinere Projekte, wie Crowdfunding. Die durch die Stadt gewährten Zuschüsse beispielsweise zu Uhrentürmen oder anderen, kleineren Projekte, könnten entweder ganz entfallen oder zumindest gesenkt werden. Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ sehen wir hier eine sinnvolle Alternative, die in Betracht gezogen werden sollte. Die Einbindung der Bürgerschaft in solche Projekte sorgt für einen weiteren Effekt: es kann als Lenkungsinstrument verstanden werden um zu eruieren, welche Projekte für die Bürgerinnen und Bürger wirklich interessant und welche gefordert sind. Sie könnten ihre Stadt wirklich mitgestalten. Bürgerbeteiligung in gleich mehrfacher Hinsicht. Auch in der Vergangenheit wurden Anträge dieser Art abgelehnt oder sind noch zu keinem nennenswerten Ergebnis gekommen: unser Vorschlag, brach liegende Flächen durch Baum-Spenden aufzuforsten, wurde bis heute nicht umgesetzt.
Das derartige Finanzierungsmethoden Anklang finden, sehen wir in einigen Kommunen, beispielhaft genannt seien die Verbandsgemeinde Lauterecken-Wolfstein bei der Aufwertung eines Ausflugsziel, wobei über 9.000 Euro aus der Bevölkerung zusammengekommen sind, als auch die Verbandsgemeinde Otterbach-Otterberg, die ihre Wanderwege mit Solarkühlschränken ausgestattet hat. Hier wurden über 4.000 Euro gesammelt.
Aber wir müssen ja nicht einmal bis nach Rheinland-Pfalz schauen, um zu erkennen, wie hoch die Spendenbereitschaft der Menschen ist, wenn es um ihre Stadt geht: am Platz der Integration in Sindorf, das ist übrigens hier in Kerpen, wird bald das zweite durch Spenden finanzierte barrierefreie Spielgerät installiert – durch den Einsatz engagierter Personen und Vereine.
Gerade in Zeiten, in denen die Kassen leer sind, sollten wir solch innovative Wege gehen, um vor allem kleinere Projekte zu realisieren, ohne die Steuerzahler übermäßig zu belasten. Leider kommt hier weder aus Politik noch aus der Verwaltung das klare Signal, diese Möglichkeiten strategisch in ihre Finanzpolitik einzubetten.
Der Haushalt zeigt zudem keine konkreten Vorschläge, wie wir unsere Verwaltung effizienter gestalten können. Während andere Kommunen längst mit interkommunalen Kooperationen und Aufgabenübertragungen erfolgreich arbeiten, und die Stadt Kerpen das in einigen Bereichen ebenfalls tut, erkennen wir im Haushaltsentwurf keine neuen Schritte. Das ist schade. Wir sind der Meinung, dass wir durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen nicht nur Ressourcen sparen, sondern auch die Qualität der Verwaltung verbessern könnten. Es fehlt uns an konkreten Vorschlägen und ambitionierten Zielen in diesem Bereich.
Zum Schluss schaue ich auch kritisch in Richtung Politik. Wir haben in der Vergangenheit im politischen Betrieb gespart, etwa, indem unsere Ausschussvorsitzenden keine Aufwandsentschädigung erhalten. Aber wir müssen in Zeiten klammer Kassen die Bereitschaft zeigen, auch unseren Gürtel enger zu schnallen. Deshalb hätten wir uns eine Debatte auch über zumindest zeitlich befristete Einsparpotentiale in der Politik gewünscht oder eine Debatte darüber, ob Kerpen wirklich drei stellvertretende Bürgermeister braucht.
Ich möchte nun zum Schluss und damit einhergehend zum Fazit kommen.
Die Kommunen sind die Keimzellen der Demokratie – hier, im lokalen politischen Raum, werden Entscheidungen getroffen, die unmittelbar das Leben der Menschen beeinflussen. Ob es um den Bau von Schulen, den Standard von Kitas oder die Höhe der Grundsteuer geht – diese Entscheidungen haben direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. Und hier wird Demokratie greifbar. Gerade in einer Zeit, in der landespolitische Bestrebungen die politische Vielfalt beschneiden, bleibt das kommunale Parlament der Ort, an dem alle Stimmen gehört werden müssen – und das ist gut so. Ob das auch in Zukunft so bleibt, erfahren wir heute – denn heute tagt nicht nur der Rat der Stadt Kerpen, nein heute wird auch das Urteil des Landesverfassungsgerichtes zum neuen Sitzverteilungsverfahren, das kleinere Parteien systematisch, und in unseren Augen bewusst, benachteiligen würde, erwartet.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen mitgenommen werden, sie müssen verstehen, warum Entscheidungen getroffen werden. Wir müssen transparent und nachvollziehbar erklären, warum bestimmte Maßnahmen notwendig sind – auch wenn diese nicht immer populär sind. Nur so können wir sicherstellen, dass die Bürger hinter den politischen Entscheidungen stehen und diese mittragen.
Auch deshalb haben wir den in der Presse kommunizierten Vorschlag der CDU, SPD und Grünen zur Einführung eines wirkungsorientierten Haushaltes mitgetragen. Aber diesen Beschluss hätten wir schon vorher haben können, denn er stand schon viel früher auf der Tagesordnung. Wieso dieser aus den Kreisen der antragsstellenden Fraktionen vorher abgelehnt wurde, erschließt sich uns nicht. Ebenfalls unverständlich ist, das die kleinere Lösung, nämlich die Einführung eines KPI- also eines Kennzahlenbasierten Systems, auch im Vorfeld aus diesem Kreise abgelehnt wurde. Aber sei es drum: sowohl die Arbeit mit Kennzahlen als auch die Einführung eines wirkungsorientierten Haushaltes sind wichtige Weichen, die wir stellen müssen, auch deshalb hat dieser Antrag unsere Zustimmung gefunden. Auch die Einstellung bzw. Schaffung weiterer Stellen für die Schulsozialarbeit finden unsere vollumfänglich Unterstützung. Dabei appellieren wir aber auch an das Land: die Versorgungslage und Qualität der Schulsozialarbeit vor Ort und damit letztlich die mentale Gesundheit der Schülerinnen und Schüler darf nicht davon abhängen, wie reich eine Kommune ist. Das gehört in die Hände des Landes NRW, so wie der Lehrkörper.
Aber die oben genannten Kernpunkte unserer Kritik bleiben unberührt. Schlimmer noch: durch die neu eingestellten Haushaltsmittel vergrößert sich das Haushaltsloch zunächst – und das weiterhin ohne adäquate Sparmaßnahmen oder weitere Einnahmepotentiale. Auch das wir für diese Maßnahmen den falschen Stellenplan verabschiedet haben, indem wir auf Stellen im Bereich Digitalisierung oder Prozessmanagement verzichten, macht die Situation nicht besser. Ein wirkungsorientierter Haushalt in einer Verwaltung, die, wie viele andere Verwaltungen, ihre Prozesse nicht dokumentiert hat, die kein zusätzliches Personal für diese wichtigen Maßnahmen einstellt, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nicht konsequent durchdacht.
Es geht im Rahmen dieser Haushaltsdebatte nicht darum, den Schuldigen zu finden. Es geht darum, einen Kompromiss zu finden, der für alle tragbar ist. Und das ist dieser Kompromiss für uns leider nicht.
Wir verstehen, dass es in Zeiten klammer Kassen keine einfachen Lösungen gibt. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns mit diesem Haushalt einfach zufriedengeben können. Die getroffenen Maßnahmen gehen uns nicht weit genug, um eine langfristig tragfähige und gerechte finanzielle Situation für unsere Stadt zu gewährleisten. Wir müssen mehr tun, um die bestehenden Probleme anzugehen und Lösungen zu finden, die im Einklang mit den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger stehen.
Abschließend möchten wir betonen, dass wir als Piratenpartei bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Doch dazu gehört es auch, manchmal „nein“ zu sagen, wenn wir glauben, dass eine Entscheidung nicht im besten Interesse der Stadt und ihrer Einwohner ist.
Deshalb lehnen wir diesen Haushaltsentwurf ab. Die Belastungen, die durch diesen Haushaltsentwurf auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden, sind nicht gerechtfertigt.
Wir müssen die Fehlentwicklungen der Vergangenheit überwinden und an einem Strang ziehen. Dabei kann es keine Politik des „von oben nach unten“ mehr geben. Es braucht eine neue Kommunikationskultur im Rat, in der wirklich alle Fraktionen und Mitglieder zusammenarbeiten und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn wir nicht kooperieren, sondern uns in Grabenkämpfen verlieren, dann spielen wir den falschen in die Hände.
Deshalb unser Appell zum Schluss: Wir müssen trotz der vermutlich auseinanderdriftenden Meinungen in dieser Debatte gemeinsam arbeiten – nicht gegeneinander.
Auch wenn wir uns in Wahlkampfzeiten befinden, sollte der Haushalt nicht zum Politikum werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Wahlkampfgespinste den dringend notwendigen Dialog im Rat und die klare Sicht auf die Bedürfnisse unserer Stadt und unserer Bürgerinnen und Bürger behindern.
Vielen Dank.