Mahnwache für die Corona-Toten

Kreisverband Rhein-Erft-Kreis

DANKE! Gestern versammelten sich etwa 100 Bürger:innen um an unserer Mahnwache für die Corona-Toten auf dem Kerpener Rathausvorplatz teilzunehmen. Wir bedanken uns bei jedem Einzelnen und natürlich auch bei der Polizei, für die angenehme Zusammenarbeit und ihre Arbeit gestern Abend.

Danken wollen wir den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die der Mahnwache gestern beiwohnten, und den Mitgliedern von SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP, der Grünen Jugend und Hab8cht, die ebenfalls dabei gewesen sind.

Die Versammlung verlief friedlich. Seitens der Polizei wurde aus Brandschutzgründen das Aufstellen von Kerzen untersagt.

Aus diesem Grund stellten wir symbolisch einen leeren Stuhl auf. Dieser steht für den Platz, den die an Corona-Toten bei ihren Familien, in unserer Mitte, hinterlassen. Ihr Platz bleibt leer.

Der Stuhl bleibt leer.

Unsere Kreisvorsitzende Alessa Flohe erinnerte in ihrer Ansprache an die an Corona-Erkrankten und an die durch Corona Verstorbenen: „21.839 Personen – das ist die Zahl neuer Corona-Fälle am 9. Januar. 7,55 Millionen – Das ist die Zahl der insgesamt an Corona-Erkrankten in Deutschland seit Ausbruch der Pandemie. 114.000 – Das ist die Anzahl der Verstorbenen, derer wir heute gedenken wollen.“

Ihre Rede haben wir hier als Transkript abgedruckt:

Guten Abend alle miteinander,

zu allererst möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie hier heute so zahlreich erschienen sind. Zu Beginn meines Redebeitrages muss ich über einige Punkte für heute Abend informieren:

  • Wie ihr sicher mitbekommen habt, starten die Spaziergänger hinter dem Rathaus. Sie haben zugesagt, dass sie aus Respekt vor den Toten schweigend an unserer Mahnwache vorbeiziehen. Ich bitte Sie, ebenfalls so zu verfahren.
  • Aufgrund mehrfacher Nachfrage: bei Versammlungen gilt kein G-Status.
  • Die Corona-Abstandsregeln sind unbedingt einzuhalten.
  • Eine Maskenpflicht gilt nach aktuell gültiger CoronaSchVO erst ab 750 Teilnehmenden. Wir appellieren dennoch an Sie eine Maske zu tragen, denn sie schützt in letzter Konsequenz auch Sie selbst.
  • Unsere Ordner achten auf die Einhaltung und Durchsetzung der Regeln. Sie erkennen Sie an den Armbinden. Wenn es Probleme gibt, können Sie immer auf uns zukommen.
  • Gerade wenn keine Abstände eingehalten werden können, setzen wir auf das Tragen der Maske! Wir halten Masken griffbereit.

THEMA KERZEN:

  • Aus Brandschutzgründen wurde uns und der anderen Versammlung seitens der Polizei untersagt, Kerzen aufzustellen. Da die Veranstaltung regelmäßig stattfinden soll, sind wir zuversichtlich, dass sich zur nächsten Veranstaltung eine Regelung finden lässt.

Aus diesem Grunde haben wir uns als Symbol heute für einen leeren Stuhl entschieden: der Stuhl steht für den Platz, den die Verstorbenen in unserer Mitte hinterlassen. Denn ihr Stuhl bleibt leer. Die Symbolik kennen Sie vielleicht auch von der roten Bank hier vor dem Rathaus.

Um den Toten der Corona-Pandemie zu gedenken, bitte ich um eine Schweigeminute.

-Schweigeminute-

21.839 Personen – das war die Zahl neuer Corona-Fälle am 9. Januar,

7,55 Millionen – das ist die Zahl der insgesamt an Corona erkrankten in Deutschland seit Ausbruch der Pandemie,

114.000 – Das ist die Anzahl der Verstorbenen, derer wir heute gedenken wollen.

Alleine in NRW, dem am dichtesten besiedelten Bundesland, sind insgesamt 20.582 Menschen verstorben. Mit insgesamt 1,46 Millionen Fällen und 5.127 Neuerkrankten im Vergleich zum Vortag belegen wir deutschlandweit die Plätze 1 und 2.

Die Pandemie hat viele Opfer gefordert. Familien, auch hier in Kerpen, habe ihre Angehörigen verloren. Pflegekräfte, medizinisches Personal und viele mehr gehen am Limit. Für Eltern, Solo-Selbstständige, Arbeitnehmer, Lehrer, Schüler und viele mehr war und ist die Pandemie eine nie dagewesene Herausforderung.

Tag für Tag sterben mehr Menschen. Wir möchten heute derer gedenken, die in dieser Zeit einen qualvollen und vor allem oftmals einsamen Tod sterben mussten. Wir gedenken auch derer, die aktuell auf den Intensivstationen dieses Landes um ihr Leben kämpfen. Die geliebte Angehörige verloren haben – plötzlich aus unserer Mitte gerissen. Und wir gedenken derer, die zwar nicht an dem Corona-Virus, aber dennoch einsam oder alleine verstorben sind. Die alleine ohne Besuche in Pflegeheimen oder im Krankenhaus verstorben sind oder dort Zeit verbringen mussten. Denn auch bei ihnen zollte die Pandemie ihren Tribut.

Wir wollen auch denken an alle jene, die in dieser Pandemie bis an ihre Grenzen gehen um uns zu schützen. Die vielleicht noch einmal mehr Verantwortung tragen und daher noch mehr unter den Maßnahmen leiden. Pflegerinnen und Pfleger. Klinisches Personal. Menschen, die für jedes Leben kämpfen und dabei einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Wir erinnern uns an die Bilder aus Bergamo, und auch hier in Deutschland geht unser medizinisches Personal am Krückstock. Wir haben geklatscht, doch was hilft wirklich? Bessere Bedingungen in der Pflege, ein Ende der Unterversorgung von Krankenhäusern. Indem wir uns solidarisch an die Maßnahmen halten. Das sind die Wege um nicht nur nette Worte zu sagen, nicht nur zu klatschen, sondern auch Taten folgen zu lassen. Die Arztpraxen, die ihr Bestes geben um Impfungen durchzuführen. Nicht wenige Pflegerinnen, Ärztinnen und weitere sind während ihrer Arbeit selbst erkrankt und verstorben.

Wir sprechen unsere Solidarität und unsere Anerkennung aber auch mit allen anderen, die ihren Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten, aus. Mit der Polizei. Mit dem Ordnungsamt, dass die Einhaltung der Corona-Regeln kontrollieren muss. Mit Lehrerinnen und Lehrern, die in der schwierigen Zeit den Unterricht in unzureichend digitalisierten Schulen irgendwie umsetzen mussten. Mit Schülerinnen und Schülern, für die nichts mehr war wie vorher.

Bundespräsident Steinmeier zitierte in seiner Rede zum Gedenken an die Corona-Toten den Schriftsteller Erich Mühsam. „Wem kann ich klagen, der mit mir fühlt. Wem kann ich sagen, was in mir wühlt.“ Und ich glaube, dieses Zitat trifft es sehr gut. Denn die eben von mir aufgesagten Zahlen sind nicht nur bloße Statistiken. Dahinter stehen Menschen. Schicksale. Junge, ältere. Gesunde, kranke. Und doch zwingt uns die Pandemie in ihrer Grausamkeit auch zur Kontaktbeschränkung und Abstand – für ein eigentlich soziales Wesen wie den Menschen eine schreckliche Zerreißprobe. Reden, darüber sprechen, Trost finden und verarbeiten – mindestens mal herausfordernd. Viele sind verbittert. Mutlos. Sie plagen existenzielle Nöte. Und unter Trauer mischt sich auch Wut.

Nun will ich zum letzten Teil meiner kleinen Ansprache kommen:

In einer Demokratie sind Kritik und Diskurs richtig und wichtig. Denn das ist der ihr innewohnende Sinn: der Austausch verschiedener Menschen mit verschiedener Meinung. Und dieses Recht soll und muss jeder wahrnehmen. Ich bitte sogar darum. Niemand würde eine sachliche Diskussion über das Für und Wider der Impfpflicht verurteilen. Ich bin mir sicher, dass auch heute unter uns Impfpflichtskeptiker sind. Macht das den einen oder anderen von uns zu einem besseren Menschen? Mitnichten. Zu einem schlechteren? Nein. Versteht mich nicht falsch: die Impfung schützt und sie hilft. Und ich appelliere an jeden: lasst euch impfen. Aber es geht um den Diskurs, den man darüber führen können muss.  

Es ist kein Wunder, dass die Friedensboten sich den Montag für ihre Spaziergänge ausgesucht haben. Es ist kein Wunder, dass PEGIDA sich den Montag aussuchte.

Denn unter dem „Titel“ „Montagsdemonstrationen“ ging man in der ehemaligen DDR auf die Straße und protestierte gegen den Staat. Und gerade diese Analogie ist so Geschichtsvergessen wie –relativierend.

Denn die DDR war vor allem eines: ein Unrechtsstaat in dem Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht viel zählten. Und das genaue Gegenteil von der Republik in der wir heute leben.

Und nebenbei bemerkt: ein Staat mit einer Impfpflicht.

Während sich Familien in Almaty, Kasachstan, oder in anderen Teilen auf der Welt, nicht aus den Häusern trauen, da die Regierung sie für ihren friedlichen Protest als „Terroristen“ brandmarkt und auf sie schießt, schreit eine kleine Gruppe in Deutschland „DIKTATUR!“ – und man folgt ihnen.

Das Format „Freiheitsboten“ mit ihren Montagsspaziergängen geht zurück auf Verschwörungstheoretiker, Corona-Leugner, Antisemiten. Menschen, die aus der Pandemie und dem Aufwiegeln und Anstacheln von Leuten Profit geschlagen und sich abgesetzt haben. Personen, die eine Gruppe von Menschen bewusst instrumentalisiert. Und hier liegt der Kern der Kritik: denn diese Bewegung, die bis ins Rechtsextreme Milieu reicht, wird so von der Basis aus gestärkt.

Und wir haben eine lange Tradition des Wegschauens. Und genau deshalb ist es umso wichtiger, darauf aufmerksam zu machen.

Es ist kein Wunder, das rechte Rhetorik auch hier in Kerpen die Demonstranten versucht glauben zu lassen, dass „wir“ ihre Meinung nicht respektieren oder sie am Versammeln hindern wollen. Denn die Wahrheit, wie es wirklich ist, passt ihr nichts ins Bild.

Wir wollen uns daher heute auch bewusst von Rechtsextremen und Faschisten distanzieren. Denn diese haben den demokratisch-freiheitlichen Diskurs schon lange verlassen und sich bewusst selbst abgespalten.

Mit dieser Abgrenzung und einem letzten Zitat unseres Bundespräsidenten möchte ich schließen:

„Lassen wir nicht zu, dass die Pandemie, die uns schon als Menschen auf Abstand zwingt, uns auch noch als Gesellschaft auseinandertreibt“.

Dankeschön!