Vor die Wand… – Warum ich für eine Verschiebung der Kommunalwahl bin

Alessa Flohe

Aktuell wird auf allen Ebenen eine Verschiebung der Kommunalwahlen im September aufgrund der Corona-Pandemie diskutiert. Die Argumente für eine Verschiebung reichen von den einzuhaltenden Fristen, die die Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber vor ein Problem stellen bis zu den praktischen Problemen die eigenen Parteimitglieder wie auch die Bürger im Wahlkampf zu schützen. 

Hierbei steht und fällt alles mit der Antwort auf die eine Frage: Wie geht es nach dem 19. April weiter? 

Keine Chancengleichheit im Wahlkampf für Bürger und Parteien

Es nützt nichts einen Kandidaten aufzustellen, der dann mit Covid-19 auf der Intensivstation liegt und mit der Krankheit kämpft. Gott bewahre, möge dieser Fall niemals eintreffen, jedoch ist dies eine Realität, der sich die Parteien stellen müssen. 

Unsere Gesundheit sollte aktuell unser aller wichtigstes Gut sein. 

Auch der Wahlkampf könnte zum Problem werden. Ich sehe hier nicht nur die Themenvielfalt schwinden, dass der mit den plakativsten Sprüchen und buntesten Plakaten zum Thema CORONA gewinnt.
Fraglich ist beim Wahlkampf auch das „Wie“. Ja, er MUSS digitaler werden. Wir leben in 2020 und das unsere Volksvertreter es mitunter nicht verstehen, digital in das Gespräch mit dem Bürger zu treten, kann kein Zustand sein. Aber er IST es eben noch nicht. Das kann man nicht über den Zaun brechen und sage „na hoppla, jetzt sind wir digital“. So läuft das nicht. 

Es ist als Bürger mein gottverdammtes Recht, mich über die antretenden Kandidaten eingehend zu informieren. Allen Bürgern, aber auch allen Parteien, muss die selbe Chance geboten werden, in Erscheinung und in Dialog zu treten. Ohne einen durchdigitalisierten Prozess ist das aber kaum umsetzbar, mitunter ist es daher niedrigschwelliger und einfacher „live“ am Infostand miteinander in Kontakt zu treten. Menschen, die keinen Zugang zu einem Computer oder zur Materie haben, werden vom wichtigsten demokratischen Prozess unseres Landes ausgeschlossen – das darf nicht passieren. Sollen wir hier also einfach hinnehmen, dass ein Teil der Bürger nicht am politischen Diskurs teilnehmen kann? Soziale oder demographische Klüfte dürfen sich nicht noch weiter vertiefen, die zwingend notwendige Bürgerbeteiligung muss gestärkt, statt erschwert werden.

Eine Chancengleichheit zwischen den Parteien, aber auch auf Ebene des Bürgers, sehe ich hier nicht als gegeben an.

Ich sehe da aber nicht nur die Parteien, sondern auch die, die diese Wahl organisieren und durchführen müssen: die Kommunen.

Arbeiten zwischen Wahlgeschäft und Krisenstab 

(Kommunal)Wahlen bedeuten für Kommunalverwaltungen bereits in normalen Zeiten eine Menge Stress.
Zwar wird jede Wahl akribisch und gewissenhaft durchgeführt, bei einer Kommunalwahl ist es jedoch noch eine ganz andere Stimmung. 

Kaum eine Wahl wird in Politik und Verwaltung mit solch einer Spannung erwartet, auch da ihr Ergebnis einen direkten Einfluss auf alle Beteiligten hat. 
Da entscheidet sich dann, wer das nächste Oberhaupt der Verwaltung wird, oder wer in der nächsten Legislaturperiode den Steuersatz hebt oder senkt. 

Größere Kommunen könnten hier möglicherweise geringere Probleme haben. Wir dürfen aber nicht immer bei allen Entscheidungen die Dimensionen einer (Mittel)großen Stadt und gut besetzten Stadtverwaltung als Maßstab anlegen, sondern müssen auch die kleineren in der Betrachtung würdigen. 
Gerade in kleineren Kommunen, mit 60, 70 Mitarbeitern, zeigen sich Personalengpässe noch deutlicher. Wenn die selbe Person einem in mehreren Bereichen und bei verschiedenen Fachanwendungen über den Weg läuft, dann muss man kein Student der höheren Mathematik sein um auszurechnen, dass der Personalengpass sich durch eine Covid-19 Erkrankung gefährlich verstärkt. 

In einigen Verwaltungen sind direkt in der ersten Woche nach Ausbruch der Krankheit im Kreis Heinsberg Teile der Belegschaft erkrankt oder in Quarantäne gestellt worden. Die Last, die ohnehin auf viel zu wenigen Schulter verteilt wird, wiegt dadurch umso mehr. Außerdem ist es unglaublich stressig, zwischen Krisensituation, -stab und Wahlgeschäft hin- und her zu springen und gleichzeitig noch einen gewissenhaften Job zu erledigen. Die Krise ist schlichtweg neu und nicht vorhersehbar. Wir wissen nicht was kommt. Ich für meinen Teil merke in den verschiedenen Gesprächen den starken Wunsch, die Wahl zu verschieben. 

Gewissenhafte Prüfung einer Verschiebung notwendig 

Natürlich läuft diese Legislaturperiode bereits außerordentlich lange (6 statt 5 Jahre) und eine Wahl ist ein demokratisches Recht. Die darf eben auch nicht „Mal eben so“ verschoben werden, dass MUSS deutlich geprüft werden. Wir sehen gerade in anderen Ländern, wie dort Demokratie weiter ausgehebelt wird.

Es ist ein sehr sehr schwieriges Thema, welches man meiner Meinung nach genauestens und differenziert abwägen muss.
Ich tendiere dazu mir eine Verschiebung der Kommunalwahl zu wünschen. 

Wie stressig das Wahlgeschäft ist kriege ich Jahr für Jahr mit. Dieses Jahr waren die Gegebenheiten für Kommunen und Parteien durch die Entscheidung im Dezember ohnehin erschwert. In vielen Städten musste der Wahlausschuss ein zweites Mal tagen, da die Wahlbezirke neu zugeschnitten werden mussten.

Egal wie die Entscheidung ausgeht – sie muss gewissenhaft und nicht auf Basis von guten Umfragewerten oder Ideologien getroffen und vor allem schnell und bindend kommuniziert werden.

Ahoi!

Über den Autor

Alessa Flohe vertritt die Piratenpartei Kerpen seit 2020 im Stadtrat und ist zusätzlich sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Gesundheit, Inklusion, Integration und Verbraucherschutz des Rhein-Erft-Kreises.

Sie ist ausgebildete Fachinformatikerin für Systemintegration, Wirtschaftsjuristin und als behördliche Datenschutz- und Informationssicherheitsbeauftragte bei einem kommunalen IT-Dienstleister angestellt. Ihre Themenschwerpunkte sind Digital- und Jugendpolitik.