Bericht aus dem Rat der Stadt Kerpen

Alessa Flohe

Am gestrigen Dienstag, den 5. April, tagte der Rat der Kolpingstadt Kerpen. Die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte möchte ich direkt zu Beginn erläutern, die Abstimmung nach TOP befindet sich weiter unten.

Dezernenten- vs. Beigeordnetenmodell

Die wohl wichtigste Maßnahme, die gestern behandelt wurde, war der vorgeschlagene Wechsel vom Beigeordnetenmodell zum Dezernentenmodell.

Die Kolpingstadt Kerpen versucht nunmehr seit 2019 die Stelle des 1. Beigeordneten zu besetzen, Ende letzten Jahres wurde der tech. Beigeordnete abgewählt, sodass mittlerweile zwei Stellen vakant sind. Leider ließen sich bislang keine qualifizierten Bewerber für die Stelle des 1. Beigeordneten finden. Aus diesem Grund schlug die Verwaltung Anfang diesen Jahres vor, die Ebene der Beigeordneten komplett zu streichen und auf ein 7-Säulen Dezernentenmodell umzustellen. Dies hätte nach ihrer Rechnung zu Kostenersparnissen in Höhe von 150.000Euro jährlich geführt. Einige Fraktionen äußerten jedoch Bedenken. Dadurch, dass es auch zu einer Neustrukturierung der Dezernate gekommen wäre, sahen einige Mitglieder des Rates hier Höhergruppierungsansprüche seitens der Dezernenten. Außerdem vermutete man durch die steigende Arbeitsbelastung, dass auf kurz oder lang der Wunsch nach eigenen Vorzimmern aufkommen würde. Letztlich hegte man noch weitere Bedenken, etwa in Bezug auf die Aufgabenverteilung und zunehmende Verantwortlichkeiten – man befürchtete die Mitarbeitenden schlichtweg zu überlasten.

Wir haben uns klar für das Dezernentenmodell positioniert. Die Verwaltung hätte so verschlankt werden können und sie könnte endlich wieder in ruhige Fahrwasser kommen. Als neue Dezernenten waren Mitarbeitende der Verwaltung vorgesehen, sodass auch intern langfristig neue Anreize geschaffen würden. Ein weiterer Punkt für uns: die Verwaltung selbst sowie der Personalrat wollten das neue Modell.

In einem interfraktionellen Gespräch mit der Verwaltung erging vor allem ein Appell an uns: man habe kein Vertrauen mehr in das Beigeordnetenmodell. Die Mitarbeitenden der Verwaltung sehnen sich endlich wieder nach einer funktionierenden Führungsebene.

Ich bin mir sicher, dass alle Fraktionen im Kerpener Stadtrat das selbe Ziel vor Augen haben: die Verwaltung endlich wieder stabilisieren, auf Kurs und vor allem Ruhe reinbringen. Nur haben wir eben unterschiedliche Meinungen, wie wir dahin kommen. Die Entscheidung ist gefallen.

Wir müssen nun dafür sorgen, vergangenes hinter uns zu lassen, die Gräben zuzuschütten und uns gemeinsam auf eine Seite zu stellen und am selben Strang zu ziehen. Denn nur so kann die Neubesetzung der Stellen funktionieren.

Es ist wahrscheinlich, dass wir in den nächsten Monaten nochmal über die Stellenausschreibungen reden werden, denn gestern sollte bewusst nur eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Daher haben wir innerhalb unserer Fraktion den Vorschlag gemacht, die Verwaltung mit der Prüfung zu beauftragten, ob auch ein Umstieg auf nur einen Beigeordneten Sinn machen würde. Hier sind wir auf die Ergebnisse gespannt und auf die Diskussionen. Klarzustellen gilt: wir klassifizieren dies nicht als den heiligen Weg, sondern wollen die Möglichkeiten ausloten um faktenbasiert diskutieren zu können.

Finanzierung der Mater Salvatoris Realschule in Kerpen-Horrem

Die MS in Horrem wird zum Teil vom Erzbistum Köln finanziert. Dieses zieht nun seine Unterstützung, ähnlich wie bereits bei der Stadtbibliothek, zurück. Der Stadt Kerpen bieten sich zwei Möglichkeiten: einspringen und mit eigenen Mitteln unterstützen um die Schule zu retten, oder die Finanzierung zu versagen. Das Resultat? Die Schule würde wahrscheinlich nicht erhalten bleiben können und müsste schließen. Für uns keine Option. Wir kritisieren, dass sich das Erzbistum immer weiter zurückzieht. Die Begründung, dass immer mehr Menschen austreten und so weniger Beiträge reinkommen, können wir nicht mittragen. Die Kirche in ihrer Gesamtheit (nicht (!) die einzelnen örtlichen Gemeinden, die beispielsweise hier in Kerpen tolle Arbeit leisten!) haben es über Jahre versäumt sich zu reformieren. Auch Missbrauchsskandale wurden eher verschleiert als aufgeklärt. An ihrer Lage sind die Kirchen selber Schuld. Dennoch können und wollen wir auf die Realschule mit ihrem vielfältigen Bildungsangebot nicht verzichten. Denn zum einen haben wir an städtischen Schulen keinen Platz für die SchülerInnen, und zum anderen trägt sie einen wertvollen Beitrag zur Kerpener Schullandschaft bei. Wer die Schule einmal besucht hat, so wie ich es mehrfach bei offenen Tagen getan habe, oder wer Personen kennt, die diese Schule besuchten oder besuchen, weiß, was sie zu bieten hat.

Dies müssen wir erhalten.

Neue Staffelung von Elternbeiträgen

Dieses Thema möchte ich nur proforma anschneiden, da es zwar in den nächsten Jugendhilfeausschuss vertagt wurde, aber trotzdem auf der gestrigen Tagesordnung stand.

Konkret ging es um die beauftragte Neuberechnung der Elternbeiträge. Im Jugendhilfeausschuss fiel auf, dass die neu vorgeschlagene Satzung nicht sozial gerecht ist. Zur Erinnerung: Eltern mit Einkommen bis 24.000Euro/Jahr sollten 60% mehr zahlen und Eltern mit Einkommen bis zu 100.000Euro/Jahr sollten um 6% entlastet werden. Hier hätte eine Umverteilung von unten nach oben stattfinden sollen. Einer solchen Satzung konnten wir als PIRATEN nicht zustimmen, weshalb wir uns dem Wunsch anschlossen, eine Neuberechnung der Beitragsstufen vornehmen zu lassen.

Allerdings denken wir auch, dass wir in Summe abwarten sollten, bis sich eine neue Landesregierung gebildet und die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen hat. Denn viele der Parteien, die eine aussichtsreiche Chance auf Regierungsbeteiligungen haben, sprechen sich für ein drittes Beitragsfreies KiTa-Jahr aus. Somit wäre die Thematik vom Tisch.

Fakt ist: die Stadt hat kaum Geld. Der Kämmerer hat es gestern ausgeführt: viel besser als vermutet stehen wir nicht dar. Und wir haben mit mehreren millionen Minus im Haushalt geplant. Das die Stadt im HSK nicht auf Beiträge verzichten kann, ist klar. So sehr es schmerzt. Es darf aber auch keine Umverteilung auf dem Rücken der Ärmeren stattfinden.

Weitere Punkte

Beflaggung „Kein Ort für Rassismus“
hier: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Flagge wird gehangen, BM sucht eine geeignete Stelle
Änderung der Verwaltungsstruktur der Stadtverwaltung Kerpen; Einführung des „Dezernentenmodells“ bei gleichzeitigem Wegfall von Beigeordneten abgelehnt.
Erlass von Ortsrecht 
Modernisierung der Sondernutzungssatzung / Verbesserung des Stadtbildes und Gewährleistung der Verkehrssicherheit in Wahlkampfzeiten;
hier: Antrag der FDP-Fraktion
Die Verwaltung wird bis Herbst 2022 eine neue Satzung ausarbeiten und diese dem Rat vorlegen
Stadtentwicklung und Bauleitplanung 
Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes der Kolpingstadt Kerpen – Beschluss zur Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 3 (2) BauGBangenommen
Fortführung des Förderprogramms zur Dach- und Fassadenbegrünungangenommen
Aktualisierung der Förderrichtlinie zur Gewährung von Zuschüssen zur Dach- und Fassadenbegrünungangenommen
Selbstverpflichtung zum Ausbau der Solarenergie und Gebäudebegrünung bei allen künftigen kommunalen Neubauten und Dachsanierungenangenommen
Anschlussvorhaben zur Umsetzung des integrierten Klimaschutzkonzeptsangenommen
Überprüfung und ggf. Neufestsetzung der Niederschlagswassergebühr unter Berück-sichtigung einer voraussichtlich wesentlich vergrößerten, maßgeblichen, aktualisierten Gesamtgrundstücksfläche im Kerpener Stadtgebiet;
hier: Antrag der SPD-Fraktion
Wurde quasi „vertagt“, da es aktuell kein Personal und keine Daten gibt. Wenn Geo-Daten vorliegen, soll der Rat informiert werden.
Sozialverträgliche Staffelung der Elternbeiträgevertagt in den nächsten Jugendhilfeausschuss
Änderung der Satzung der Kolpingstadt Kerpen über die Erhebung von Elternbeiträgen für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und der Tagespflege, die Benutzung der Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft der Kolpingstadt Kerpen und Förderung der Kindertagespflege in der Kolpingstadt Kerpenvertagt in den nächsten Jugendhilfeausschuss
Auslobung und Verleihung des Heimatpreises der Kolpingstadt Kerpen 2022angenommen
Kündigung der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die notärztliche Versorgung an den Notarztstandorten Kerpen und Pulheimangenommen
Außerplanmäßige Bereitstellung von Mitteln für die Legionellenprophylaxe in Feuerwehrgerätehäusernangenommen
Finanzielle Unterstützung der Realschule Mater Salvatorisangenommen
Obdachlosenunterkunft Wolfsberg – Kostenerhöhungangenommen
Bereitstellung von weiteren überplanmäßigen Haushaltsmitteln für eine Brückensanierung zur Erschließung von Ausgleichsflächen im Stadtteil Horrem (Nachtrag)angenommen
Erlass von Nutzungsentgelten/-gebühren für die Nutzung städtischer Hallen, Bäder und sonstiger städtischer Objekteangenommen
Dringend notwendige Beschaffungen zur Erhaltung des Spielbetriebes für den Fußballverein Blau-Weiß Kerpen
hier: Aufhebung des Sperrvermerks und Genehmigung der außerplanmäßigen Ausgabe gemäß § 83 GO
angenommen
Bewegungsparcours im Stadtteil Buirangenommen
Neue Sportanlage Kerpen Buirangenommen
Ergänzende städtische Förderung des Bauvorhabens „Neubau und Sanierung von Gebäuden auf dem Gelände des Graf-Berghe-von Trips-Stadions Horrem“angenommen
Ausgleichspflanzung für geschädigte Bäume im Bereich der Baumaßnahme „Pavillon Graf-Berghe-von Trips-Stadion Horrem“angenommen
Änderung der Dienstanweisung Finanzbuchhaltungangenommen
Demonstrationen „Spaziergänge“ gegen Coronamaßnahmen in Kerpen;
hier: Antrag der SPD-Fraktion
zur Kenntnis
Wiederaufbauhilfe für die Infrastruktur in Kommunen
hier: Wiederaufbauplan
angenommen
Anzeige der Nebentätigkeiten des Bürgermeisters gemäß § 16 und § 17
Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW für das Jahr 2021
zur Kenntnis
Personalangelegenheiten 
Stellenplan 2022;
hier: Einrichtung von 6 zusätzlichen Stellen für inklusive Tätigkeiten in Kindertageseinrichtungen
angenommen
Untersuchung der Arbeitsorganisation sowie der Qualitätsstandards und Entwicklung einer fortschreibungsfähigen Personalbemessung für die Abteilung 23.1 des Jugendamtes der Kolpingstadt Kerpen durch das Institut für Sozialplanung und Organisationsentwicklung (INSO)angenommen
Zusätzliche Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in den Kindertageseinrichtungenangenommen
Umsetzung von Maßnahmen aus dem Haushaltssicherungskonzept;
hier: Aufhebung der 6-monatigen Wiederbesetzungssperre für den Versicherungsbereich im Amt 12 – Rechtsangelegenheiten
Hier erging der Vorschlag, diese Angelegenheiten an ein externes Maklerbüro zu vergeben und die Funktion outzusourcen. Wurde trotzdem angenommen.
Umsetzung von Maßnahmen aus dem Haushaltssicherungskonzept;
hier: Aufhebung der 6-monatigen Wiederbesetzungssperre für die Bibliotheksassistenz in der Schulbibliothek des Schulzentrums Horrem/Sindorf
angenommen
Umsetzung der Maßnahmen aus dem Haushaltssicherungskonzept;
hier: Aufhebung der 6-monatigen Wiederbesetzungssperre für die Gruppenleitung im technischen Bereich des Bauhofes in der Abteilung 40.4
angenommen
Genehmigung von Dringlichkeitsentscheidungen 
Außerplanmäßige Mittelbereitstellung zur Anschaffung von weiteren Wohncontainern für die Flüchtlingsunterkunft Humboldtstraße in Kerpenangenommen
Unterrichtung des Rates durch den Bürgermeister gem. § 55 Abs. 1 GO NRW 
Mitteilungen 
Berichte aus den Gremien, in denen die Kolpingstadt Kerpen vertreten ist 
Anfragen gem. § 18 Geschäftsordnung 

Außerdem stellte die Linksfraktion einen Antrag in Bezug auf das Urteil im Rahmen Räumung Hambacher Forst. Die Linke wollte wissen, ob die Stadt bereits geprüft habe inwieweit sie den Schaden geltend machen kann und ob sie dies bereits getan habe. Die Verwaltung sagte zu, die Prüfung zeitnah vorzunehmen und den Rat zu unterrichten.

Außerdem erklärte Herr Willy Deutsch seinen Rücktritt nach langjähriger Mitgliedschaft im Rat. Sein Ruhestand sei ihm gegönnt!

Über den Autor

Alessa Flohe vertritt die Piratenpartei Kerpen seit 2020 im Stadtrat, wo sie sich der FDP-Fraktion angeschlossen hat und stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist. Zusätzlich ist sie als stv. sachkundige Bürgerin im Regionalentwicklungsausschuss des Rhein-Erft-Kreis aktiv.

Als behördliche Datenschutzbeauftragte ist sie firm in Belangen der Verwaltung und hat damit einen guten Einblick, wie man die Kommune voranbringen kann. Nebenher studiert sie Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Medien- und Internetrecht. Ihre Schwerpunkte sind Netzpolitik und Entwicklung, ihr Hintergrund als Fachinformatikerin liefert dort das notwendige Know-How.